Morgen letzte Chemo
Morgen ist nun die letzte Chemo. Ich bin hier noch am Wuseln mit dem Antrag auf Fahrtkostenerstattung, aber ich glaube, dass muss mein FA und die Klinik ausfüllen. Morgen wird auch der Antrag für die Anschlussheilbehandlung klargemacht.

Heute abend hatten wir hier noch spontan unsere Nachbarn zu Besuch, die den Kranz der hölzernen Hochzeit zu uns brachten. Das eine Paar von gegenüber hatte Ende April gefeiert, und der Brauch sagt, dass die den dann an die nächsten Kandidaten weitergeben - und das sind wir! Vorsorglich hatten wir dann auch schon was zu Trinken besorgt :-). Und wie bestellt, war es trocken, wir hatten blauen Himmel, obwohl es den ganzen Tag heute immer wieder regnete.

Den Tag hatten wir heute in einem Freizeitpark und Zoo verbracht. Als es regnete, konnten wir in den Indoorspielplatz - das war für Eike natürlich der Hit. Das nächste Mal lasse ich aber meinem Mann den Vortritt, wenn es darum geht, eine Gondel per Pedale fortzubewegen. Eike kam nicht an die Pedale ran und konnte nicht mittreten, also hatte ich alle Beine voll zu tun. Und ich gehöre ja momentan nicht gerade zu den Kräftigsten und Fittesten....

Eben habe ich noch einen lieben Gruß bekommen:



So, nun gehöre ich aber ins Bett!
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Noch immer...
... frage ich mich, ob ich die Tatsache, dass ich Krebs habe, wirklich realisiert habe. Wieso habe ich noch immer das Gefühl, ich habe eine ganz normale Krankheit, geh zum Arzt, lass die behandeln und gut? Ich frage mich, ob es anderen Krebspatienten ebenso geht. Heute habe ich im Aufenthaltsraum der Tagesklinik in einigen Broschüren gelesen. Hin und wieder liest man dann auch von Menschen, die an Krebs gestorben sind. Aber dieses Schicksal, daran zu sterben, habe ich für mich irgendwie weit von mir geschoben. Nein, für mich gilt das nicht.

Mache ich mir da was vor? Ich weiß nicht wirklich, ob ich insgeheim diese Angst habe. Ich empfinde sie jedenfalls nicht, diese Angst. Oder habe ich das nur sorgsam verdrängt? Ich weiß es nicht... Ich glaube, ich muss endlich mal dieses Buch anfangen, das ich von einer Freundin ausgeliehen habe: Zwei Frauen.

Es ist komisch, nun habe ich seit Wochen nun wirklich viel Zeit gehabt zum Lesen. Aber irgendwie hatte ich keine Lust. Ich habe noch so viele Bücher hier, die noch zu lesen sind. Die hätte ich alle längst durchgelesen haben können.
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Entscheidung für die Chemo
Soeben war ich im Krankenhaus und habe mit der Ärztin gesprochen. Das wollte ich, bevor ich mich endgültig entscheide, ob ich die letzte Chemo weglasse oder nicht. Ich hatte Berechnungen angestellt, um abzuschätzen, wo mein Leukozytenwert nach der Chemo landen würde. Dem bisherigen Trend nach käme ich bei etwa 0.2 heraus, was für mich beängstigend niedrig ist. Aber wenn es daran liegt, so sagte die Ärztin, dann kann man ja vorbeugend Granocyte geben, schon ab dem 5. Tag nach der Chemo. Das war schon mal beruhigend zu wissen, dass es Möglichkeiten gibt, solch niedrigen Werte vorher abzufangen. Außerdem hatte sich ja aufgrund der Granocyte-Behandlung der Wert mehr als erholt - d.h. mit 5.6 ist er höher gestiegen als zum Zeitpunkt der letzten Chemos. Gewissermaßen ist der Wert genauso wie am Tag der zweiten Chemo, und nach der ging es mir ja blendend.

Hier ist der Verlauf mit der Prognose:

Blutbildverlauf mit Prognose

Daher habe ich mich nun für die Chemo entschieden, meine Bedenken sind zerstreut, und die üblichen Nebenwirkungen werde ich auch ertragen können, in dem Wissen, dass sie auch wieder vorübergehen und dass ich alles tue, um den Krebs zu besiegen. Die Schwester war einigermaßen überrascht, als sie erfuhr, dass ich die Chemo nun doch machen will - sie hätte es an meiner Stelle nicht gemacht.

Es ist eine schwierige Entscheidung gewesen. Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob die Nebenwirkungen, die ich habe, dermaßen schlimm sind, dass sich ein Weglassen empfiehlt. Andere Patientinnen berichteten mir von den gleichen Nebenwirkungen, aber sind sie nun weniger stark als bei mir oder genauso? Vielleicht erzählen sie nicht so sehr davon wie ich? Es ist so schwer zu beurteilen, wie andere das empfinden.
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Eine Arbeit, die 10 Jahre zurückliegt
Nachdem ich diese Woche nun alle Granocyte-Spritzen aufgebraucht hatte, dachte ich, nun ist alles überstanden, ich werd die 6.Chemo nicht machen. Am Freitag war ich dann nochmal zur Blutbildkontrolle. Und - kaum zu glauben, aber die Leukos sind auf 5.6 gestiegen! Ich fand diese Steigerung sensationell. Und alle meine Überlegungen wirft es wieder über den Haufen. Wenn der Ausgangswert der Leukos so hoch liegt, kann es sein, dass die letzte Chemo mich nicht so in den Keller treibt.

Ich hatte schon Berechnungen angestellt, dass ich nach der nächsten Chemo bei 0.2 lande, und das war mir eindeutig zu niedrig. Wer weiß, wie es mir damit geht? Und nu? Jetzt tendier ich wieder dazu, das Ganze durchzuziehen - eine Chemo noch, und dann ist gut.

Montag habe ich den Termin zum Planungs-CT in der Strahlenklinik. Vielleicht können die mir auch gleich den ersten Strahlentermin nennen, und das Ganze wird etwas konkreter.

Die letzten Tage habe ich mich mit etwas beschäftigt, was schon 10 Jahre zurückliegt. Meine Doktorarbeit. Ich hatte bisher nur die Kopiervorlage und die TeX-Files auf Diskette. Nun habe ich mir die Mühe gemacht, aus dem Dokument ein onlinefähiges zu machen. D.h. alle Bilder mussten eingebunden werden, was ich damals noch nicht konnte. Aber nun ging es. Ich ging völlig in dieser Arbeit auf. So ungefähr 100 Bilder mussten eingescannt, bearbeitet und eingebunden werden. Ich vergaß alles um mich herum. Ich war fasziniert von meinem eigenen Text - welch komplizierte Sachverhalte hatte ich damals diskutiert - und heute erscheint mir das alles so weit weg. Nun habe ich meine Arbeit als PDF-Dokument. Als ich letzte Woche die Idee dazu hatte, erschien mir vieles noch unüberwindlich - aber innerhalb einer Woche habe ich es geschafft. Es geht also noch. Ich kann mich noch konzentrieren, ich kann noch tüfteln und ausprobieren, Lösungen finden. Ich war sogar erstaunt, wie leicht es ging!
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Manchmal macht es KLICK
Manchmal macht es KLICK, und man begreift etwas Wesentliches im Leben. Ich habe solche Momente in letzter Zeit häufiger. Sie rütteln mich emotional dermaßen auf, dass mir die Tränen nur so wegfließen. Dabei sind es scheinbar Kleinigkeiten.

Als ich ein Kind war, sind meine Eltern mit mir und meiner Schwester häufig spazieren gegangen. Es ging durch Wälder, über Wiesen, jedenfalls durch die Natur. Damals fanden wir Kinder das manchmal öde, da rumzulaufen. Daran dachte ich gestern plötzlich, ich weiß nicht wieso. Und mir wurde schlagartig klar, wie wichtig das war, durch die Natur zu streifen. Pilze sammeln, die Blumen im Wald und auf den Wiesen schätzen zu lernen. Welches Kind weiß heute, was ein Buschwindröschen ist? Ein Spaziergang durch den Wald ist für mich heute etwas Wunderschönes, das Bild von Buschwindröschen im Wald erstand vor meinem inneren Auge, und mir kamen die Tränen vor Dankbarkeit, dass mich meine Eltern diese Erfahrung haben machen lassen.

Etwas anderes geschah durch das Schreiben dieses Tagebuchs. Ich schreibe hier öffentlich über das was ich denke, fühle, wie es mir geht, und was mit mir passiert. Früher hätte ich gedacht, wen interessiert das schon? Eine ganz liebe Freundin, Wegbegleiterin, sah noch vor 2 Jahren mich am Tor zur Welt stehen mit einem Seesack voller faszinierender Eigenschaften - aber ich stehe an der Schwelle, der Seesack ist fest verschlossen, und ich wage es nicht, die Schwelle zu übertreten. Was wäre, wenn ich heraustrete, den Seesack aufmache und den Inhalt zeige? Es werden Menschen stehenbleiben, neugierig sein. Es wird Menschen geben, die staunen, es wird vielleicht auch welche geben, die achselzuckend weitergehen. Aber es wird sicher auch welche geben, die länger verweilen. Das Leben besteht aus Begegnungen mit Menschen - so ungefähr steht es auf einem Bild, dass bei meiner Hausärztin an der Wand des Sprechzimmers hängt.
Nun gibt es sogar ein Bild von mir hier, mit Glatze. Ich habe den Seesack aufgemacht. Ich habe gesehen, das Menschen stehenbleiben und hier verweilen. Sie nehmen Anteil an meinem Schicksal, sie interessieren sich. Und dass mein Foto sogar sehr positive Reaktionen auslöste, selbst im engsten Familienkreis, von einer Seite, von der ich es gar nicht erwartet hatte, bedeutet mir sehr viel.

So schlimm die Krankheit Krebs auch sein mag, sie zwingt einen auch, über das Wesentliche im Leben nachzudenken. Sie hat mich weiter gebracht als eine Therapie es je in so kurzer Zeit geschafft hätte!
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Wieder sehr schlechtes Blutbild
Wie ich es schon ahnte - am Montag war mein Leukozyten-Wert bei 0.5, niedriger denn je. Ich sagte zu der Schwester, die mir die Granocyte-Spritze gab, dass wir unbedingt bei der letzten Chemo niedriger dosieren müssen, damit ich danach nicht unter 0.5 rutsche. Inzwischen sind die roten Blutkörperchen auch schon niedrig, am Montag bei 3.8. Normal sind 4.2 bis 5.4.

Die Schwester sagte aber, man könne die Dosis nicht niedriger machen, sondern nur die letzte Chemo ganz weglassen. Wenn ich der Meinung sei, dass eine geringere Dosis okay für mich ist, dann sollte ich darüber nachdenken, die Chemo wegzulassen. Sie gab mir auch den Tipp, ergänzend mit Naturheilverfahren, mit Homöopathie weiterzumachen. Dies fand ich gut, ich stehe der Homöopathie sehr positiv gegenüber, hatte das aber für den Krebs bisher nicht in Erwägung gezogen. Sie nannte mir eine erfahrene Ärztin, zu der ich gehen könnte.

Am nächsten Tag dann (heute) erneut zur Blutbildkontrolle: Der Leukowert ist auf 0.7 gestiegen, die roten Blutkörperchen schlagartig auf 3.3 gefallen. Ich rutsche doch mal eben in eine Anämie rein. :-( Eine andere Schwester gab mir die Spritze, und auch sie sagte, es ist nicht verkehrt, eine Chemo wegzulassen, wenn man das Gefühl hat, sie würde mehr belasten als nützen. Jede Patientin könne das nur für sich selbst entscheiden. Sie vermutete erst, ich hätte Angst vor einem Rezidiv, wenn ich die Chemo weglasse, aber dem ist nicht so. So war es zu Beginn der Therapie. Aber inzwischen liegen die Verhältnisse anders. Selbst wenn ich ein Rezidiv bekäme und hätte die 6. Chemo weggelassen, würde ich nicht denken, ach hätte ich damals nur... sondern ich würde denken, die eine Chemo hätte es wahrscheinlich auch nicht gebracht, mich davor zu bewahren. Denn ich erachte 5 Chemos für mich als genauso wirksam wie 6 Chemos bei einer durchschnittlichen Patientin, deren Blutwerte nicht so stark in den Keller rauschen. Die Reaktion der Blutwerte ist für mich ein Anzeichen der Wirksamkeit. Und so sehen es ja die Ärzte auch.

Ich will nicht unter 0.5 rutschen, ich will es nicht soweit kommen lassen, dass sie mich unters Isolierzelt stecken oder eine Bluttransfusion notwendig wird. Eine Patientin, die solche Bluttransfusionen hatte, deutete heute nur an, wie schlimm das war, sie war nicht bereit darüber zu sprechen. Ich bin nicht bereit, so etwas zu ertragen, allein nur für die eventuelle Möglichkeit, dass da noch Mikrometastasen sind. Ich habe das Gefühl, WENN es denn welche gegeben hat, dann sind die sicher durch 5 Chemos hinreichend bekämpft. Ich möchte vielmehr mein Immunsystem wieder aufbauen, so dass DIESES die Bekämpfung von entarteten Zellen übernehmen kann.
in: Brustkrebs
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