3. Chemo
eikesmom, Montag, 27. März 2006, 01:08
Am Freitag war nun die 3. Chemo - Halbzeit! :-) Die Blutwerte waren tiptop, also ging es los. Mein Männe ist verschwunden, bevor sie mich angepiekst haben - das guckt er sich nicht gerne an. Ist aber alles gar nicht so schlimm! Ich hab mit der Ärztin etwas herumgeflachst, sagte, das merkt man ja kaum. Und sie sagte im Scherz, naja, Sie waren ja kurz vorm Schreien! *lach*
Zum Lesen meines Buchs bin ich gar nicht gekommen. Die Patientin, die mit mir auf dem Zimmer lag, kannte ich bereits vom letzten Mal, und wir haben uns die ganze Zeit angeregt unterhalten. Für sie war es die letzte Chemo.
Als ich bereits abgestöpselt war, kam mein Mann wieder. Er war zwischendurch in der Firma gewesen und hat gearbeitet. Während ich im KH noch ein Brötchen und einen Joghurt aß, kam die Psychologin vorbei - darüber habe ich mich sehr gefreut. Aber so kurz nach zwölf drängelte mein Mann, er habe eine SMS aus der Firma bekommen und muss wieder hin. Also setzte er mich nur zuhause ab und fuhr zur Arbeit.
Ich merkte inzwischen, dass es mir weniger gut ging als beim letzten Mal. Ich hatte nicht die Kraft, mir ein Mittagessen zu kochen, was das Ganze noch verschlimmerte. Ich aß nur ein Stück Käse und legte mich ins Bett. Als mein Mann nachmittags wieder kam - er hatte schon eingekauft - war mir richtig übel. Aber erbrechen musste ich dennoch nicht. Wir bestellten was zu essen, und danach ging es mir besser.
Aber auch heute, zwei Tage danach, fühle ich mich eher schlapp. Zum Glück hält sich die Übelkeit in Grenzen. Der nächste Chemotermin ist jetzt schon einen Tag früher, weil es sonst der Karfreitag geworden wäre. Und ich wollte nicht bis nach Ostern warten. Möglicherweise liege ich Ostern dann flach, aber was soll's. Besser so, als wenn sich das alles noch weiter nach hinten verschiebt. Im September, wenn wir unsere große Party haben, will ich mit allem fertig sein.
Frühling
eikesmom, Freitag, 24. März 2006, 00:07
Es wird endlich Frühling! Die Sonne scheint! Okay, es ist morgens noch mächtig kalt. Aber ich geh jetzt immer mit Perücke aus dem Haus, und ich gewöhne mich dran. Die anderen Mütter im Kindergarten scheinen auch nicht unbedingt was bemerkt zu haben. Nicht, dass es mich stören würde. Das einzige, was mich stören würde, ist, wenn alle in Mitleid ausbrechen - das brauche ich nun echt nicht. Ich lebe, habe einen normalen Alltag, und ich fühle mich gut. Warum sollte man mich bemitleiden?
Mein Mann muss derweil Überstunden machen, aber er kann mich trotzdem morgen ins KH fahren - morgen ist wieder Chemo. Aber eventuell muss er dann morgen nachmittag in die Firma. Und schon macht man sich Sorgen um mich, weil ich ja dann allein zuhause bin. Na und? JETZT bin ich auch allein zuhause. Und als die Chemo noch am Montag war, war ich auch Dienstag vormittag allein zuhause, weil mein Mann arbeiten ging.
Ich weigere mich einfach, mir einreden zu lassen, dass man auf mich aufpassen muss.
Auf der Suche nach dem Richtungsanzeiger
eikesmom, Montag, 20. März 2006, 00:06
Schon zu Beginn meiner Krebsgeschichte ist mir aufgefallen, wie viele Menschen eigentlich betroffen sind - selbst wenn man nur die Brustkrebsfälle betrachtet. Nachdem ich anderen von meinem Schicksal erzählte, bekam ich Feedback. Von einigen, deren Mütter betroffen waren. Und sogar direkt Betroffene, die ich gar nicht persönlich kannte sondern nur über telefonischen Kontakt beruflicher Art, offenbarten sich mir, nachdem ich von mir erzählte. Ganz zu Anfang war ich nah am Wasser gebaut. Dann bekam ich es geregelt, nicht gleich in Tränen auszubrechen, und war froh, wenn ich was erzählen konnte. Wieder eine Weile später hinterfragte ich mein Verhalten und dachte, vielleicht überfordere ich meine Umgebung mit meiner Offenheit.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich begann, dieses Weblog zu schreiben. Ich dachte mir, es ist eine Möglichkeit, offen mit dem Thema umzugehen, ohne den Leuten "auf die Füße zu treten". Jeder, der mag, kann hier lesen, und wer nicht mag, der lässt es eben sein.
Heute ist ein Tag, an dem ich von zwei weiteren Fällen erfuhr - und wie klein die Welt doch ist. Und der Verdacht kommt auf, dass die Zahl der Krebsfälle in den letzten Jahren immer mehr ansteigt, und man sich fragen muss, warum ist das eigentlich so.
Wieder komme ich auf das Buch "Krankheit als Weg" zurück, in dem es heißt, Krebs sei der Spiegel der heutigen Gesellschaft, in der jeder Einzelne ohne Rücksicht auf Verluste seine Interessen durchsetzen will. Ich habe mich gefragt, ob ich mit meiner Lebensgestaltung auch so ein Verhalten an den Tag gelegt habe. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter, wo es um den Stress ging, Beruf, Haushalt und Familie unter einen Hut zu bekommen. Sie sagte, ich könne nicht beides haben, Karriere und Kind. Und ich regte mich darüber auf, warum ich nicht beides haben könne - ich will aber! Warum sollte sich eine Frau nicht gleichzeitig beruflich verwirklichen und eine Familie haben dürfen? Wenn es heutzutage für eine Frau nötig ist, zum Familieneinkommen beizutragen, weil es sonst nicht reicht, bleibt ihr doch nichts anderes übrig! Und wem trete ich dabei auf die Füße? Letztendlich hatte ich immer das Gefühl, beidem nicht gerecht zu werden, weder meiner Familie noch meinem Arbeitgeber. Jeder verlangte soviel Zeit von mir, soviel Stunden hat ein Tag nicht. Also musste ich bei beiden kürzen. Ob ich dabei gerecht war - und was noch viel interessanter ist - ob ich mir selbst dabei gerecht wurde, steht auf einem anderen Blatt.
Das große Ziel ist, im Einklang mit der Umgebung zu leben, scheint es. Habe ich das nicht immer versucht? Habe ich nicht oft genug mir einen Rucksack aufgeladen, für den ich eigentlich nicht zuständig war? Dann hieß es, ich sollte mal den einen oder anderen Rucksack stehen lassen. Weil es eben nicht meiner wäre. Heißt das nicht, etwas egozentrischer zu werden, um sich selbst zu schützen? Seine eigenen Interessen wahrzunehmen, statt die anderer Leute. Aber das ist es doch, was eine Krebszelle macht: Sie nimmt nur ihre eigenen Interessen wahr und kümmert sich keinen Deut mehr um das Ganze.
Soll mir der Krebs jetzt sagen: Ja, ich muss mich mehr um meine eigenen Interessen kümmern, oder will er mir sagen, ich tue das schon zuviel? In welche Richtung sollte ich gehen?
Gerade das Thema "Kinder oder Karriere" ist brandaktuell. Da diskutiert man plötzlich über Rentenkürzungen für Kinderlose, die Deutschen sterben aus, wenn der Trend sich fortsetzt. Jede Familie müsste eigentlich mindestens 2 Kinder in die Welt setzen, doch leider ist die durchschnittliche Kinderzahl viel geringer. Interessant finde ich in dem Zusammenhang den Umstand, dass das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, größer ist für Frauen, die spät oder gar keine Kinder geboren haben. Man könnte das vielleicht als Strafe dafür ansehen, nicht zum Erhalt der Menschheit beigetragen zu haben, aber man muss das ja nicht so sehen. Es mag vielleicht ein Hinweis sein, wo die Reise hingehen soll. Die letzte Mahnung sozusagen. Wenn Ihr keine Kinder bekommt, seid Ihr vom Aussterben bedroht!
Die ersten Ausflüge mit Perücke
eikesmom, Samstag, 18. März 2006, 00:05
Bisher fand ich es ja immer viel zu kalt am Kopf nur mit Perücke und habe immer die warme Mütze aufgesetzt. Und die dann auch immer aufbehalten, wenn ich irgendwo war. Im Cafe, im Wartezimmer des Arztes oder auch im Krankenhaus.
Gestern habe ich dann die Perücke aufgesetzt, und so Eike aus dem Kindergarten abgeholt. Ein ungewohntes Gefühl. Aber Eikes Erzieherin fand mich echt schick so. Als wir gerade zuhause waren, rief ein Mädchen aus Eikes Kindergarten an und wollte sich mit ihm verabreden. Und so hatten wir gestern ganz spontan Besuch von ihr. Da war es gut so, dass ich die Perücke hatte, wer weiß, was sie zu meiner Nickihaube gesagt hätte. Der Nachmittag gestern war richtig schön, die Kinder haben prima miteinander gespielt und ich konnte in Ruhe im Haushalt muckeln.
Heute habe ich den Aufräumwahn fortgesetzt - im Kinderzimmer. So einiges ist in die Mülltonne gewandert, und ich hoffe, dass Eike das nicht zu schnell bemerkt. Er hat es schlicht gar nicht gemerkt, dass sein Zimmer viel aufgeräumter aussieht. Ob er mitkriegt, dass seine Magnetangel - die inzwischen keinen Magnet mehr hat, weil rausgefallen und nicht mehr wiedergefunden - nicht mehr da ist? Oder die Spielzeugkasse, die gar nicht mehr aufging? Oder seine Sammlung von Strohhalmabschnitten in einer Glühlampenschachtel? Wenn ich ihn machen lasse, sammelt mein Sohn ALLES. Korken, Kronkorken, Büroklammern, Strohhalmabschnitte, leere Klopapierrollen, Eierpappen, alte Schachteln, leere Plastikflaschen... Und überall fliegt das Zeug rum!
Heute nachmittag war ich dann wieder mit Perücke unterwegs. Erst hatten wir ein Gespräch bei unserer Bank, was ich sehr gut fand, weil ich jetzt wieder Pläne machen und Simulationsrechnungen machen kann. Dann waren wir in der Eisdiele und haben trotz der Kälte draußen uns ein Eis gegönnt. Schön war das! Und dafür habe ich glatt das Abendbrot ausfallen lassen!