Isolierhaft?
eikesmom, Samstag, 18. Februar 2006, 23:52
Ich geb zu, der Titel dieses Eintrags ist etwas provokativ - aber er beschreibt dennoch kurz und prägnant, wie ich mich momentan fühle.
Ich komme kaum noch aus dem Haus, es sei denn, um meinen Sohn zum Kindergarten zu bringen oder abzuholen. Einkaufen darf ich nicht, ist angeblich zu anstrengend für mich, und außerdem lauern draußen Bakterien und Viren, die mich als gefundenes Fressen betrachten könnten! Tze!
Nun ist Wochenende. Mein lieber Mann ist blass, sieht krank aus. Mein Sohn hustet sich die Seele aus dem Leib. Ich habe lediglich Kopfschmerzen, und meine Mundschleimhaut ist im Eimer. Naja, sagen wir, es gibt einige wunde Stellen. Ich putze bestimmt 4-5mal täglich die Zähne und spüle mit Salbeitee und/oder natürlichem Mundwasser mit Myrrhe-Extrakt.
Dennoch sieht es mein Mann nicht gern, wenn ich nächste Woche Freitag mal ins Kino gehe. Da sind so viele Menschen, und bestimmt etliche Kranke darunter. Das sollte ich besser nicht tun. Mal im Ernst: erwartet er von mir, dass ich bis Mai hier in Quarantäne bleibe? Wenn ich drei Tage nach dem geplanten Kinobesuch eine Chemotherapie bekommen soll, sollte ich zu dem Zeitpunkt doch wieder so widerstandsfähig sein, dass ein Kinobesuch ungefährlich ist.
In einem Forum las ich einen Beitrag zum Thema: Was denken die Leute, wenn sie jemanden mit Mundschutz herumlaufen sehen? Hält man einen solchen Menschen für verrückt, einen Spinner? Jemand antwortete: Ich würde denken, derjenige macht eine Chemotherapie, weil er Krebs hat. Bingo! Man könnte sich also auch gleich ein Schild umhängen mit der Aufschrift: Ich habe Krebs! So ein Mundschutz ist also nicht das Wahre, zumal ich bei den Dingern immer das Gefühl habe, nicht genug Luft zu bekommen.
Ergebnisse des Bluttests
eikesmom, Donnerstag, 16. Februar 2006, 23:51
Heute vormittag war ich voller Tatendrang. Ich legte eine Dr.Alban-CD in den CD-Player, Funkkopfhörer auf und los ging's! Ich hab in der Küche geputzt, ich hab gebügelt, Wäsche zusammengelegt, und als alles fertig war, habe ich zur Musik herumgetanzt und alles um mich herum vergessen. Hach ja, das war schön!
Am späten Vormittag habe ich dann mal in der Praxis angerufen, ob meine Ergebnisse schon da seien. Leider nein. Ich bat um eine E-Mail, wenn sie da sind. So gegen Mittag bekam ich dann die Werte zugemailt, noch ohne weiteren Kommentar. Aber ich sah schon, die Leukozyten sind ziemlich im Keller! :-( Ich habe nur noch ein Fünftel der Menge von vor der Chemotherapie. Alle anderen Werte waren aber durchaus okay. Sogar die Thrombozyten erreichten fast den unteren Grenzwert des Normalbereichs. Und mein Hb-Wert ist auch gerade noch so im Normalbereich.
Nach dem Mittagessen bekam ich dann nochmal eine Mail aus der Hausarztpraxis, in der es hieß, wenn ich Fieber bekäme, soll ich sofort in die Praxis kommen. Ansonsten sind die Werte erwartungsgemäß. Dann habe ich nochmal im Krankenhaus in der Tagesklinik angerufen, und da sagte man mir, der Leukozytenwert sei schon sehr niedrig, aber man müsse dahingehend noch nichts Spezielles unternehmen. Zum Beispiel eine Granulozyten-Anregung, um die Leukozyten stärker zu vermehren.
Nun soll ich aufpassen, mir nichts einzufangen. Keine Menschenansammlungen besuchen. Keine Nüsse essen, weil die oft Pilzsporen aufweisen. Obst vor dem Verzehr schälen. Nur frisch zubereitete Speisen essen. Nun habe ich mich ja gerade von einer Erkältung erholt. Ist eigentlich ein Wunder, dass die nicht länger anhielt bei den Blutwerten. Und mein Sohn hustet gerade mal wieder :-(. Und auch von vielen Bekannten höre ich, dieses oder jenes Kind hat Scharlach, Bronchitis oder einen Magen-Darm-Infekt usw. Tolle Aussichten momentan! Ich kann mich eigentlich nur hier verkrümeln und hoffen, dass die Bakterien und Viren unser Haus meiden!
Blutkontrolle
eikesmom, Mittwoch, 15. Februar 2006, 23:50
Heute morgen war ich zur Blutkontrolle in meiner Hausarztpraxis. Es klappte ganz gut, ich denke, das Risiko, die Armvene könnte Schaden nehmen, kann ich in Kauf nehmen. Ich bin ja sehr gespannt auf die Ergebnisse.
Es heißt ja, dass die Zahl der Blutkörperchen jetzt ein Minimum durchläuft. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das wirklich so ist. Denn momentan fühle ich mich recht gut, und der Schnupfen ist auch fast weg. Das hätte ich nicht erwartet, wenn ich gerade so einen Mangel im Blut haben soll. Vielleicht ist das Tal schon früher gewesen, Ende letzter Woche oder so, denn da fühlte ich mich schlapp und müde. Jetzt habe ich eher das Gefühl, es geht bergauf. Wir werden morgen sehen, was das Labor sagt.
Warum ich?
eikesmom, Sonntag, 12. Februar 2006, 23:49
Ich glaube, diese Frage stellt sich jeder mal - besonders jene, die an Krebs erkrankt sind. Komischerweise stelle ich mir diese Frage erst jetzt. Alle haben sie gesagt, dass man sich das irgendwann fragt, und ich dachte bisher immer, es ist halt Zufall, und es hat eben mich erwischt.
Ausgelöst wurde das eigentlich durch einen Brief, den ich bekam. Es geht darin um die Eintragung ins Krebsregister für statistische und wissenschaftliche Zwecke. Es war klar, dass dieser Brief kommt, davon erzählte man mir schon. Wirklich drüber nachgedacht habe ich nicht. Aber ich bin eh kein Mensch, der davor Angst hat, irgendwo nur noch eine Nummer zu sein. Ich halte statistische Untersuchungen für sehr sinnvoll - wenn man dabei das Individuum nicht ganz aus den Augen verliert.
Trotzdem hat es was in mir ausgelöst. Ich bin nämlich ein Individuum, und mich hat es erwischt. Warum? Ich war ja eigentlich keine Risikopatientin, wenn man davon absieht, dass meine Oma so mit 70 Brustkrebs bekam. Damals wurde das gar nicht groß aufgehängt. Es hieß, sie sei eh schon recht alt und nicht mehr so gut beisammen - und sie musste auch keine Chemotherapie machen. Dabei finde ich 70 noch nicht sooo alt, dass man sagen könnte, das lohnt nicht mehr. Das kann man doch nie sagen! Man weiß doch im Grunde nie, was das Leben für einen noch bereithält, egal wie alt man ist. Ob man nun 2 Jahre, 40 Jahre oder 70 Jahre alt ist. Wer weiß, was alles noch kommt? Ich stelle mir das Leben manchmal als Entscheidungsbaum vor. Immer wieder kommt man an Weggabelungen an und muss sich entscheiden. Und man sieht nie, was dahinter kommt. Man weiß nie, wie lang oder wie schwer der Weg dahinter ist. Ob er in einen Abgrund führt oder ins Paradies. Und dann denke ich, das Ziel dahinter ist gar nicht entscheidend, sondern der Weg. Was bringt der Weg für weitere Weggabelungen mit sich? Und dann wird mir klar, dass man das gar nicht bewerten kann und auch gar nicht sollte. Ich finde nicht unbedingt, dass das Ziel ist, ein besonders LANGES Leben zu führen, also dass der Todeszeitpunkt ganz weit in der Zukunft liegt. Das Leben muss auch einen Sinn haben. Es sollte ereignisreich sein insofern, dass es nicht so dahinplänkelt, und nichts passiert. Es kann nun auch mal was Dramatisches passieren. Man kann ernsthaft krank werden. Und man kann sich darüber Gedanken machen, was das alles für einen Sinn hat.
Als ich von meinem Krebs noch nichts wusste, hatte ich mir schon mal Gedanken um den Sinn von Krankheiten gemacht. In dem Buch "Krankheit als Weg" habe ich einen Ansatzpunkt für diese Gedanken gefunden. Ich fand vieles sehr plausibel. Dennoch hatte ich Schwierigkeiten, daraus wirklich Konsequenzen zu ziehen. Man hat mir mal den Rat gegeben, ich solle viel mehr auf meinen Bauch hören. Ich fand eigentlich, dass ich das schon viel zu oft tue. Nun ja, ehrlich gesagt, ist es oft so: Ich merke, wenn mir eine Situation nicht behagt, ich höre meinen Bauch "reden" - und dann ignoriere ich das und sage, er soll gefälligst den Mund halten und Ruhe geben. So kann es aber auf Dauer nicht gutgehen. Das rächt sich irgendwann früher oder später.
Ich weiß nicht genau, was der Autor des Buches "Krankheit als Weg" zu Krebs genau meinte. Ich habe es schlicht nicht verstanden. Aber vielleicht ist genau das der Grund, warum ich Krebs habe! Und wer weiß, vielleicht komme ich ja noch drauf....