Ist es richtig, was ich tue?
eikesmom, Samstag, 4. Februar 2006, 23:41
Mein Frauenarzt hat mich nun bis Ende März arbeitsunfähig geschrieben. Die Medikamente gegen die Übelkeit sind besorgt. Doch in den letzten Tagen kommen mir Gedanken, ob ich das Richtige tue. Prompt habe ich wieder eine Erkältung am Hals, die Chemo am Montag ist gefährdet.
Das ist alles doch sehr kurios: Ich habe Krebs, merke aber nichts davon im täglichen Leben. Also zucke ich mit den Schultern und sag: na und? Kaum läuft die Nase und der Hals kratzt, hadere ich mit meinem Schicksal, fühle mich elend, werde unleidlich. Bei einem harmlosen Schnupfen!
Habe ich ein gestörtes Verhältnis zu meinem Körper? Weiß ich immer noch nicht, was er mir sagen will? Ich versteh es nicht!
Meine Hausärztin sagte heute, ich kann die Blutkontrollen bei ihr machen lassen. Sie meint, die Venen werden durch die Blutabnahmen nicht so sehr belastet, doch eher durch die Medikamente der Chemo. Ja ja, das ist mir schon klar! Aber was ist, wenn mir die Arzthelferin bei der Blutabnahme die Vene zersticht, und später die Infusion ins Gewebe läuft? Na vielen Dank auch! Jetzt muss ich abwägen, vertraue ich auf das Geschick der Arzthelferinnen oder nehme ich die Fahrt ins Krankenhaus in Kauf? Entscheidungen über Entscheidungen, und wenn ich falsch entscheide, geht es mir schlecht.
Und dann kommen sie wieder, die Gedanken. Die Risiken, die ich eingehe. Die ich wieder und wieder versuche, zu bewerten und doch zu dem Schluss komme, dass mir zu viele Fakten fehlen. Ich kann es nicht bewerten. Ich muss einfach vertrauen, dass das schon alles so richtig ist. Und kann ich wirklich wissen, nachdem ich einen Weg gegangen bin, wie der andere ausgesehen hätte?
Chemotherapie - habe ich mir das gut überlegt?
eikesmom, Dienstag, 24. Januar 2006, 23:39
Heute hatte ich das Aufklärungsgespräch über die Chemotherapie. Ich wurde über die Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt. Es kommen Medikamente zum Einsatz, die besonders jene Zellen angreifen, die sich teilen, wodurch vornehmlich Krebszellen zerstört werden sollen, aber leider auch gesunde Zellen, die sich gerade teilen. Das wären dann auch Blutzellen, Haarwurzelzellen, Schleimhautzellen. Und Eibläschenzellen im Wachstum. Bestimmt habe ich noch einige wichtige vergessen in meiner Aufzählung!
Nach dem Gespräch fand ich, dass der Haarausfall, von dem ich ja schon wusste, echt noch das Harmloseste an der Sache ist. Was alles passieren kann:
- trockene Haut (die habe ich ja eh schon)
- Entzündungen der Mundschleimhaut
- Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung
- Blasenentzündung, weil die Abbauprodukte der Medikamente sehr aggressiv sind
- Nieren können geschädigt werden
- eine Herzschwäche kann sich entwickeln - daher wird vor der ersten und vierten Chemo ein Herzultraschall zur Kontrolle gemacht
- Infektanfälligkeit ist besonders in der zweiten Woche nach einer Chemo besonders hoch, weil dann die Zahl der weißen Blutkörperchen auf ein Minimum sinkt, daher werden um diese Zeit Blutkontrollen gemacht
- die Venen können vernarben, so dass es nicht mehr möglich ist, Blut abzunehmen. Unter Umständen ist für weitere Infusionen dann ein Port notwendig, der wird oberhalb der Brust implantiert. Das ist ein Hohlraum, der mit Flüssigkeit gefüllt ist, von ihm führt ein Schlauch in die große Körpervene. Nach vorne zur Haut hin ist der Port mit einem Gummideckel verschlossen, durch den man mehrmals mit einer Infusionsnadel durchstechen kann. Rückwärtig ist eine Metallplatte, so dass die Nadel nicht ins Innere des Körpers dringen kann. Die Krankenschwester, mit der ich gesprochen hatte, empfahl mir diesen Port. Aber die Idee, so ein Ding im Körper zu haben, machte mir Angst. Nein, ich will einfach hoffen, dass meine Venen gut genug sind und bleiben.
Ich muss also meine Haut intensiv pflegen, viel trinken, mich besonders vitaminreich ernähren. Gegen Übelkeit bekomme ich Medikamente. Gegen Blasenentzündung bekomme ich vor der Chemo ein Mittel gespritzt, welches die Abbauprodukte der Chemikalien neutralisieren soll.
Da die Follikel immer wieder zerstört werden, wachsen nicht wie üblicherweise 20 pro Tag, sondern viel mehr. Sie werden so schneller verbraucht als normal, was bedeutet, dass die Wechseljahre vorher eintreten. Die Regelblutung wird wahrscheinlich ausbleiben, weil die Follikel zerstört werden. Später unter der Hormontherapie wird die Regelblutung mit Sicherheit ausbleiben. Unter der Chemo ist jedoch die Verhütung trotz allem nicht gewährleistet. Schwanger zu werden ist möglich, wäre aber eine Katastrophe, weil der Fötus massiv geschädigt würde. Ein Schwangerschaftsabbruch wäre unter Umständen notwendig, ist dann aber sehr risikoreich, weil eben auch die Thrombozyten, die ja für die Blutgerinnung zuständig sind, in ihrer Zahl minimiert werden. Also ist die Devise: nicht schwanger werden. Man bot mir die Kupferspirale als Verhütungsmethode an. Aber ich wollte nie einen Fremdkörper in mir haben. Und als ich gelesen habe, dass die Kupferspirale zu starken Blutungen führen kann, habe ich das für mich auch abgelehnt. Also bleiben nur noch Kondome, da hormonbasierte Verhütungsmittel nicht in Frage kommen.
Nach dem Gespräch habe ich ein Perückenstudio aufgesucht. Es war sehr interessant zu sehen, wie man mit dieser oder jener Frisur aussieht. Meistens fand ich mich aber furchtbar damit! Ich fand, man sieht immer, dass es sich um etwas Künstliches handelt. Mit einem Kostenvoranschlag in der Tasche fuhr ich wieder nach Hause.
Wieder zuhause und Therapieplan
eikesmom, Freitag, 20. Januar 2006, 23:38
Am Samstag wurde der Leberultraschall wiederholt, diesmal von der Oberärztin. Sie erklärte den helleren Bereich an meiner Leber für eine Folge der Gallenblasen-OP. Sie sagte außerdem, Krebs würde sich im Ultraschall dunkel darstellen. Und nichts spräche dagegen, dass ich Sonntag nach Hause kann.
Nach dem Mittagessen holte mich mein Mann ab. Ich bekam alle Röntgenbilder wieder zurück und einen Brief für den weiterbehandelnden Arzt.
Unser Sohn war noch bei seiner Oma. Mein Mann und ich verbrachten den Nachmittag auf dem Sofa. Er hatte mir ein Kissen zurechtgemacht, auf das ich meinen linken Arm legen konnte. Ich werde diesen Tag immer mit diesem seltsamen Licht verbinden, das ins Wohnzimmer schien. Es war ein sonniger Tag, die Sonne stand tief. Und ich werde immer an die Eisenbahn denken, die um den Ätna auf Sizilien fährt, weil mein Mann sich sonntags immer die Eisenbahn-Romantik anschaut :o)
In dieser ersten Woche nach dem Krankenhausaufenthalt hatte sich mein Mann freigenommen, um mir zu helfen. Ich war die erste Zeit noch etwas bewegungseingeschränkt mit dem linken Arm. Er fuhr mich zum Frauenarzt und sogar zu meinem Vorstellungsgespräch. Er legte mir stets ein Kissen für meinen Arm zurecht. Er brachte unsern Sohn in den Kindergarten und holte ihn wieder ab. Am Donnerstag bin ich das erste mal (unter seiner Aufsicht *g*) wieder Auto gefahren. Es klappte gut, vor allem konnte ich den linken Arm viel besser ablegen als das auf dem Beifahrersitz möglich ist.
Am Mittwoch hatten wir nun den Termin im Krankenhaus zur Besprechung aller Ergebnisse. Am Tag zuvor hatten sich Ärzte, Pathologen etc. pp. zusammengesetzt und die anliegenden Fälle besprochen, unter anderen eben auch meinen.
Mein Befund sieht wie folgt aus:
Mamma-Ca links, pT1c, G II, pN0(0/15), PR 40%, ER 60%, HER-2-neu 2+, kein Anhalt auf periphere Filiae
Was bedeutet das nun?
- Der Tumor ist als Stadium 1c klassifiziert (kleiner als 2 cm)
- Grading Stufe II (hat was mit der Bösartigkeit zu tun, Wachstumsgeschwindigkeit oder sowas)
- 15 Lymphknoten wurden entfernt, davon war keiner befallen
- ca. 40% der Zellen haben Progesteronrezeptoren
- ca. 60% der Zellen haben Östrogenrezeptoren
- es gibt auch Rezeptoren für HER-2-Antikörper
- keine nachweisbaren Metastasen im Körper
Im Prinzip war mir fast alles schon bekannt. Die Tatsache, dass nicht alle Zellen Hormonrezeptoren aufweisen und dass ich noch relativ jung bin, führt nun dazu, dass sie mir eine Chemotherapie vorschlagen. Von der Idee war ich im ersten Moment gar nicht begeistert! Ich wollte doch möglichst bald wieder arbeitsfähig sein! Ich dachte, ich mach mal eben 5 Wochen Strahlenbehandlung und dann die Hormontherapie und gut is! Ich bekam einen Kloß im Magen. 6 mal Chemo soll ich bekommen, im Abstand von je 3 Wochen. Also dauert die Chemo allein schon (von der OP gerechnet) 18 Wochen. Dann ist das Jahr bald um!
Ich musste erst darüber schlafen. Ich habe nachgedacht. Was würde passieren, wenn ich in ein paar Jahren einen Rückfall bekomme? Was wäre, wenn ich die Chemo nicht gemacht hätte und ich einen Rückfall bekomme? Würde ich dann nicht verzweifeln, mich ärgern, dass ich "damals" nicht alles versucht habe, den Krebs zu bekämpfen? Mir wurde klar, dass ich die Chemo machen muss, dass ich eben ALLES versuchen muss, den Krebs zu besiegen. Und ich denke mir, diese Zeit, in der ich diese Therapie mache, ist auch eine Chance für mich zu entdecken, was mir guttut, was mir wichtig ist und wo meine Prioritäten im Leben sind.
Untersuchung auf Metastasen
eikesmom, Freitag, 13. Januar 2006, 23:36
Heute standen weitere Untersuchungen an, um festzustellen, ob es in meinem Körper Metastasen gibt. Die Wahrscheinlichkeit dafür war eigentlich gering, da ja die Lymphknoten nicht befallen waren.
Ich hatte gerade geduscht und nasse Haare, als es hieß, ich würde abgeholt und zur Nuklearmedizin rübergefahren werden. Ich fönte eben meine Haare trocken und wurde im Bademantel rübergekarrt. In einem großen Raum mit schlechter Akustik fragte mich der Nuklearmediziner von weit entfernt, wie groß und wie schwer ich sei, ob ich schon mal Knochenbrüche oder OPs an Knochen gehabt hätte und ob ich schwanger sei oder nicht. Dann bekam ich eine Spritze mit einem Mittel, das Technetium-99 enthält, ein radioaktives Element. Soviel wusste ich aus einer Infobroschüre zumindest. Ich hätte den Arzt gerne noch gefragt, welche Halbwertszeit das Element hat, aber schwupp war er schon wieder weg, nachdem er mir sagte, um 12 Uhr soll ich wieder da sein und bis dahin mindestens 1,5 Liter trinken.
Als ich wieder zurück war, hatte die Schwester netterweise ein Frühstück für mich bereitgestellt. Um die Zeit war nämlich der Buffetraum längst wieder zu. Ähnlich ging es dann am Mittag. Ich musste ja wieder in die Nuklearmedizin genau dann, wann es eigentlich Mittagessen gibt. Naja. Mein Appetit wurde eh von Tag zu Tag weniger, obwohl man über das Krankenhausessen wirklich nicht meckern konnte.
Um viertel vor 12 wurde ich also wieder abgeholt und rübergefahren. Erst musste ich meine Blase entleeren und dann alle Metallteile abgeben. Ich hatte ja noch die Flasche, die das Wundsekret absaugen sollte mit einer Sicherheitsnadel am Bademantel befestigt. Die Nadel musste ich abmachen. Dann sollte ich mich auf eine schmale Pritsche legen, um die herum die Spezialkamera herumfahren und entlangfahren konnte. Meine Füße wurden locker zusammengebunden, die Arme sollte ich lang ausstrecken, Daumen nach oben, dicht am Körper. 20 Minuten lang durfte ich mich nicht bewegen. In dieser Zeit fuhr die Kamera meinen gesamten Körper ab und registrierte die Strahlung, die aufgrund des Zerfalls von Technetium-99 aus meinem Körper kam. Vor allem aus den Knochen eben. Und es hieß, dass das Zeug sich besonders in Knochenmetastasen sammelt.
Das Ganze nennt sich Skelett-Szintigrafie.
Als ich fertig war, fragte ich den Assistenten, ob die Kamera ein Gamma-Detektor ist. Aber mit dieser Frage habe ich den jungen Mann schon überfordert *grins*. Der Arzt von vorhin kam kurz rein, schaute sich das Bild an und sagte, es sei unauffällig und verschwand wieder. Scheint ein recht vielbeschäftigter Mensch zu sein!
Nun stand noch der Leberultraschall an. Es heißt, Metastasen bilden sich zuerst in Knochen und der Leber. Aber der Nachmittag blieb ruhig. Am Vormittag war eine neue Patientin zu mir ins Zimmer gekommen, die vorher im Intensivzimmer lag und eine Gebärmutter-OP hatte. Am Nachmittag kam nur die Physiotherapeutin, diesmal ohne die Schülerin, die leider in der Familie einen Todesfall hatte und sich freigenommen hatte. Das tut mir sehr leid.
Als es Abendbrot gab, dachte ich, so ein Mist, wenn das mit dem Leberultraschall nicht mehr klappt, muss ich doch noch bis Montag warten! Ich telefonierte gerade mit meiner Mutter, als es plötzlich hieß, ich soll zum Leberultraschall, dabei war es schon 19 Uhr durch! Nun gut, dann kann ich ja doch am Wochenende nach Hause.
Aber die junge Ärztin (wir kannten uns schon vom 4. Januar) fand einen hellen Bereich an meiner Leber, den sie sich nicht erklären konnte. Sie versicherte mir, dass das nichts Bösartiges ist, aber dennoch sollte sich das die Oberärztin mal anschauen. Seufz! Oder die Radiologie am Montag. Na bravo!
Ich war wütend. Ich wollte doch Samstag nach Hause!
Okay, dann wenigstens Sonntag!