Ein Tag mit viel Trubel
Gestern abend konnte ich kaum einschlafen, so aufgeregt war ich. Ein Vorstellungsgespräch! Und ich muss da noch anrufen und es bestätigen. Schwester Elke bot mir ein Schlafmittel an, aber das wollte ich nicht. Aber die Rescue-Tropfen habe ich ausprobiert. Ich hatte vor lauter Aufregung vor meinem inneren Auge schnell wechselnde Bilder mit vielen Zacken. Unter den Rescue-Tropfen veränderten sich diese Bilder, sie änderten sich langsamer und am Ende schienen es nur noch sanfte Sinuswellen zu sein. Die Wirkung war nicht dramatisch, aber dennoch half es.

Heute waren eine ganze Menge Leute bei mir im Krankenhaus! Ich war ja nun mit der Kunsttherapeutin verabredet. Kurz vorher kam dann aber die Physiotherapeutin und machte wieder Bewegungsübungen mit mir. Also ging die Kunsttherapeutin wieder und kam erst später. Mit ihr malte ich dann. Ich hatte am Tag zuvor eine Eingebung, was ich malen wollte. Eine Spirale aus Regenbogenfarben. Ich weiß nicht warum, es war eine spontane Idee, die ich hatte, die vor meinem geistigen Auge entstand, als ich mit ihr sprach.
Regenbogenfarben sind für mich reine Farben, dafür habe ich eine Vorliebe. Das weiße Sonnenlicht teilt sich in diese Farben. Warum die Spirale? Mag sein, dass alles auf ein Zentrum zuströmt - oder auch aus einem Zentrum herausfließt.

Die Visite wurde auf den Nachmittag vertröstet, weil ich gerade malte. Gegen Mittag waren wir fertig, es gab Mittagessen, und unmittelbar danach kamen meine Mutter und meine Schwester. Sie waren extra 150 km weit gefahren, um mich zu besuchen - und vor allem, weil mein Schwager darauf bestand *lach*. Ich war erstaunt, wieviele Menschen Interesse daran hatten, wie es mir geht.

Dann kam die Mitarbeiterin vom Sozialdienst und erklärte mir meine Möglichkeiten. Sie brachte mir einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis mit. Ich wusste bereits von meiner Hausärztin, dass ich als Krebspatientin einen beantragen kann. Meine Situation ist durch den Arbeitsplatzverlust besonders kompliziert, möglicherweise sollte ich den Schwerbehindertenausweis nicht beantragen, wenn ich eine neue Arbeit suche. Wer stellt denn so jemanden ein?

Noch während meine Mutter, Schwester und die Frau B. da waren, kam die Visite. Und die ließ sich diesmal nicht vertrösten. Die anderen gingen kurz raus, die Visite ging ja schnell. Es hieß, ich könnte am Samstag oder Sonntag nach Hause! *freu*

Erst um halb drei am Nachmittag kehrte Ruhe ein. Ich wollte den Termin für das Vorstellungsgespräch bestätigen, erreichte aber niemanden telefonisch. Mein Mann kam, und ich versuchte es noch zweimal mit dem Telefon. Niemand hob ab. Dann beschlossen wir, es per E-Mail zu machen. Im Krankenhaus gab es aber keinen Internetzugang, also bat ich meinen Mann, es von zuhause zu tun.

Ich hatte ja nun Telefon an meinem Bett. Aber Telefonieren ist gar nicht so einfach an so einem Tag. Es war ja immer was los. Und wenn man mal meint, jetzt könnte man jemanden anrufen, kam prompt wieder jemand rein und wollte was. Ich hab schon immer gesagt: Leute, ruft mich abends nach 19 Uhr an. Dann ist Abendbrot vorbei und da passiert nix mehr.
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Die Operation
Am frühen Morgen schon um viertel nach sechs waren mein Mann und ich im Krankenhaus eingetrudelt. Die Nachtschwester, Schwester Elke, eine ganz ganz Liebe, brachte uns auf ein Zimmer. Von den zwei Betten konnte ich mir eins aussuchen. Ich wählte die Fensterseite.
Ich packte meine Tasche aus, legte alles in den Schrank. Ich bekam ein OP-Hemd, Einmalslip, Thrombosestrümpfe und sollte einen BH bereitlegen. Dann bekam ich eine Beruhigungstablette. Von der hieß es, wird man müde. Jaja, das kann ich bestätigen! Ich wurde im Bett liegend runtergefahren. In den Fahrstuhl rein, runter, aus dem Fahrstuhl raus - und dann wusste ich nichts mehr. Eigentlich hätte ich erst noch bei Bewusstsein bleiben sollen, während sie unter Ultraschall den Tumor mit einer Nadel markierten. Damit der Chirurg weiß, wo er schneiden muss. Aber das habe ich gar nicht mehr mitbekommen.

Es war viertel vor zwölf, als ich wieder aufwachte. Ganz langsam wurde ich wach, viel langsamer als damals nach meiner Gallenblasen-OP. Ich hatte Schmerzen unter dem Arm und in der Brust. Aber mit den Schmerzmitteln, die ich dann bekam, war es erträglich. Den Nachmittag döste ich so vor mich hin. Bei der ersten Visite hatte ich kaum Fragen, weil ich noch so müde war. Der Chirurg selbst war da, und er sagte, der Tumor sei ca. 1,7 cm groß gewesen. Und 15 Lymphknoten wurden mir entfernt.

Am Tag danach erfuhr ich dann, dass alle 15 Lymphknoten frei von Krebszellen waren! Das war doch mal eine tolle Nachricht! Ich fühlte mich richtig gut - bis auf meine Beweglichkeit, die war doch arg eingeschränkt. An richtigen Schlaf war nicht zu denken, wenn man nur auf dem Rücken liegen darf und der linke Arm auf einem Keil liegen musste.
Am Tag nach der OP habe ich bereits geduscht und mich mit der linken Hand gewaschen, weil die rechte Hand noch die Braunüle hatte. Die Physiotherapeutin und eine Physiotherapieschülerin kamen und zeigten mir Übungen, mit denen ich meine Beweglichkeit zurückgewinnen sollte. Sie waren sehr zufrieden mit mir. Sie sagten, ich sollte möglichst bald eigene Sachen anziehen und mich ganz schnell vom Bett verabschieden, dann klappt das noch besser.

Nach dem Mittagessen kam die Psychologin. Wir sprachen vielleicht eine Stunde lang miteinander. Ich fand, man kümmerte sich sehr gut um mich, es tat mir gut, jemanden zu haben, mit dem ich reden konnte. Dann kam auch eine Kunsttherapeutin, mit der verabredete ich mich dann für den nächsten Tag um 10 Uhr.

Am Nachmittag bekam ich dann den ersten Besuch von meiner Familie und Schwiegermutter. Eike hatte eine Blume gebastelt, und mein Mann brachte mir Post mit: die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch! Ich war ganz aus dem Häuschen! Ich war geradezu euphorisch. Ich ging davon aus, dass ich schnell wieder gesund sein würde und dann in einer neuen beruflichen Position durchstarte und wie Phönix aus der Asche steige!
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Der Tag vor der OP
Die Tage nach dem Vorgespräch im Krankenhaus am 4. Januar war ich nun morgens allein zuhause, mein Mann arbeitete wieder, mein Sohn war bei der Oma. Ich lag morgens im Bett und grübelte. Mannomann, war das schwer aufzustehen und den Tag zu beginnen! Irgendwie raffte ich mich auf.

Dann klingelte plötzlich das Telefon. Und den ganzen Vormittag stand es nicht mehr still. Insolvenzverwalter, meine Mutter, mein Vater riefen an. Ich selbst telefonierte mit der Krankenkasse insgesamt fast eine Stunde lang (mit mehrfachem Weiterverbinden). Um 11 Uhr kam ich erst dazu zu frühstücken. Okay, vielleicht war das ganz gut. Ich war gezwungen, mich zu kümmern. Um meine Finanzen. Meine Eltern wollten wissen, was die im Krankenhaus gesagt haben, wann ich operiert werden soll, und überall tauchten Bekannte, Nachbarn, Verwandte auf, die alle ebenfalls Brustkrebs hatten und dies oder jenes erlebt hatten. Ja, es war zur Normalität geworden. Scheinbar war jeder entweder betroffen oder kannte jemanden, der betroffen war.

Am Tag nach dem Termin im Krankenhaus stand also das Telefon nicht still. Auch in Sachen neue Arbeit tat sich etwas. Ich bekam Post, dass meine Bewerbung, die ich noch Ende Dezember abgeschickt hatte, geprüft würde. Oje, dachte ich, die sind aber schnell! Was ist, wenn ich eine Einladung bekommen soll und ich gerade im Krankenhaus bin? Trotzdem freute ich mich riesig über diese Post und sprang in der Küche herum wie ein kleines Kind! Ich träumte bereits davon, bald eine neue Arbeit zu haben, und das motivierte mich ungemein.

Am Wochenende holten wir unsern Sohn wieder von der Oma ab. Ich hatte die Tage einen gesegneten Appetit und aß Unmengen. Als wir Sonntag wieder zuhause waren, machte ich mich über Zartbitter-Erdnussberge her. Das war ein Fehler! Danach fühlte ich mich gar nicht gut. Am frühen Montagmorgen um halb vier hing ich überm Klo und übergab mich. Durchfall hatte ich auch. War das jetzt ein Magen-Darm-Virus? Oder bin ich einfach nur aufgeregt wegen der OP? Das sicher auch. Aber im Nachhinein wurde mir klar, ich hatte zuviel und ungesund gegessen, und da ich keine Gallenblase mehr habe, reagierte ich mit Durchfall und Erbrechen.
Zum Abend hin war mir zwar nicht mehr schlecht, aber mir tat alles weh. Es fühlte sich so an wie ein Magen-Darm-Infekt, aber das durfte nicht sein! Ich soll doch morgen operiert werden!
Beim Anruf im Krankenhaus sagte man mir, ich soll einfach mal gucken, wie es in der Nacht wird und ggf. morgen nochmal anrufen, wenn es nicht geht. Ansonsten soll ich um 6:45 Uhr da sein, ich bin gleich als erste dran.
in: Brustkrebs
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Das neue Jahr
Silvester habe ich sehr ruhig und unspektakulär im Kreise der Familie verbracht. Ich bin froh, dass das alte Jahr vorbei ist. Es war kein gutes Jahr für mich. Nun will ich nach vorn blicken und habe mir fest vorgenommen, dass das neue Jahr besser wird. Kann ja eigentlich nur besser werden!

Eike wollte noch eine Woche Ferien bei der Oma machen. Am 2. Januar fuhren wir zwei also die 200 km-Strecke. Ich blieb eine Nacht bei meiner Mutter. Der Abschied von meinem Kind am nächsten Tag fiel mir schwer. Das erste Mal so weit weg von zuhause sollte ich ihn lassen? Aber die Tränen waren schnell getrocknet, sowohl bei mir als auch bei ihm - wie meine Mutter mir später am Telefon sagte. Eike und ich telefonierten jeden Tag miteinander.

Am 4. Januar fuhren mein Mann und ich erst zum Frauenarzt, um die Überweisung fürs Krankenhaus zu holen. Ich bekam auch gleich einen gelben Schein bis Ende Januar ausgestellt. Es ist ein komisches Gefühl: Man fühlt sich eigentlich gar nicht krank, ich habe keine Schmerzen, ich habe ausnahmsweise mal keinen Infekt, und nun kriege ich einen gelben Schein für fast einen Monat! Und mit der Aussage, dass der auch weiter verlängert werden wird.

Im Krankenhaus untersuchte mich eine sehr junge Ärztin. Sie erklärte mir zuerst, was bei der Operation gemacht wird. Wenn der Tumor klein genug ist, könne man das Wächterlymphknotenverfahren anwenden. Hierzu wird der erste Lymphknoten radioaktiv markiert, und wenn er nicht von Krebszellen befallen ist, dürfen die Lymphknoten drin bleiben und nur der Tumor wird entfernt. Im Ultraschall zeigte sich allerdings nun neben dem Tumor noch eine andere Stelle, und zusammen genommen war der Bereich zu groß für das Verfahren. Also müssen auch Lymphknoten bei mir entfernt werden. Der OP-Termin wurde auf den 10. Januar festgesetzt. So bald schon! Aber es ist gut so, wer weiß, wie sehr ich noch ins Grübeln komme, wenn es noch länger gedauert hätte!

Dann wurde mir noch Blut und Urin abgenommen, und zum Schluss gab es noch ein Gespräch mit einer Case-Management-Beraterin. Eine sehr freundliche, liebe Frau, die uns nochmal alles zusammenfassend erklärte. Wie schon vor Weihnachten beim Frauenarzt erzählte mein Mann von dem Verlust meines Arbeitsplatzes. Ich hätte das gar nicht erzählt, weil ich daran gar nicht mehr dachte. Ich habe das so sehr verdrängt, es war überhaupt gar nicht mehr wichtig für mich. Schien es zumindest. Denn als das zur Sprache kam und zusätzlich zu meiner Krankheit in die Waagschale geworfen wurde, wurde es zu schwer. Ich kämpfte die Tränen zurück, schaffte es nicht, bekam ein Taschentuch. Sie sagte, ich darf ruhig weinen.
Ich habe nur Angst, ich kann gar nicht mehr aufhören, wenn es einmal losgeht....
in: Brustkrebs
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