Manchmal macht es KLICK
eikesmom, Mittwoch, 17. Mai 2006, 01:35
Manchmal macht es KLICK, und man begreift etwas Wesentliches im Leben. Ich habe solche Momente in letzter Zeit häufiger. Sie rütteln mich emotional dermaßen auf, dass mir die Tränen nur so wegfließen. Dabei sind es scheinbar Kleinigkeiten.
Als ich ein Kind war, sind meine Eltern mit mir und meiner Schwester häufig spazieren gegangen. Es ging durch Wälder, über Wiesen, jedenfalls durch die Natur. Damals fanden wir Kinder das manchmal öde, da rumzulaufen. Daran dachte ich gestern plötzlich, ich weiß nicht wieso. Und mir wurde schlagartig klar, wie wichtig das war, durch die Natur zu streifen. Pilze sammeln, die Blumen im Wald und auf den Wiesen schätzen zu lernen. Welches Kind weiß heute, was ein Buschwindröschen ist? Ein Spaziergang durch den Wald ist für mich heute etwas Wunderschönes, das Bild von Buschwindröschen im Wald erstand vor meinem inneren Auge, und mir kamen die Tränen vor Dankbarkeit, dass mich meine Eltern diese Erfahrung haben machen lassen.
Etwas anderes geschah durch das Schreiben dieses Tagebuchs. Ich schreibe hier öffentlich über das was ich denke, fühle, wie es mir geht, und was mit mir passiert. Früher hätte ich gedacht, wen interessiert das schon? Eine ganz liebe Freundin, Wegbegleiterin, sah noch vor 2 Jahren mich am Tor zur Welt stehen mit einem Seesack voller faszinierender Eigenschaften - aber ich stehe an der Schwelle, der Seesack ist fest verschlossen, und ich wage es nicht, die Schwelle zu übertreten. Was wäre, wenn ich heraustrete, den Seesack aufmache und den Inhalt zeige? Es werden Menschen stehenbleiben, neugierig sein. Es wird Menschen geben, die staunen, es wird vielleicht auch welche geben, die achselzuckend weitergehen. Aber es wird sicher auch welche geben, die länger verweilen. Das Leben besteht aus Begegnungen mit Menschen - so ungefähr steht es auf einem Bild, dass bei meiner Hausärztin an der Wand des Sprechzimmers hängt.
Nun gibt es sogar ein Bild von mir hier, mit Glatze. Ich habe den Seesack aufgemacht. Ich habe gesehen, das Menschen stehenbleiben und hier verweilen. Sie nehmen Anteil an meinem Schicksal, sie interessieren sich. Und dass mein Foto sogar sehr positive Reaktionen auslöste, selbst im engsten Familienkreis, von einer Seite, von der ich es gar nicht erwartet hatte, bedeutet mir sehr viel.
So schlimm die Krankheit Krebs auch sein mag, sie zwingt einen auch, über das Wesentliche im Leben nachzudenken. Sie hat mich weiter gebracht als eine Therapie es je in so kurzer Zeit geschafft hätte!
Wieder sehr schlechtes Blutbild
eikesmom, Dienstag, 16. Mai 2006, 14:34
Wie ich es schon ahnte - am Montag war mein Leukozyten-Wert bei 0.5, niedriger denn je. Ich sagte zu der Schwester, die mir die Granocyte-Spritze gab, dass wir unbedingt bei der letzten Chemo niedriger dosieren müssen, damit ich danach nicht unter 0.5 rutsche. Inzwischen sind die roten Blutkörperchen auch schon niedrig, am Montag bei 3.8. Normal sind 4.2 bis 5.4.
Die Schwester sagte aber, man könne die Dosis nicht niedriger machen, sondern nur die letzte Chemo ganz weglassen. Wenn ich der Meinung sei, dass eine geringere Dosis okay für mich ist, dann sollte ich darüber nachdenken, die Chemo wegzulassen. Sie gab mir auch den Tipp, ergänzend mit Naturheilverfahren, mit Homöopathie weiterzumachen. Dies fand ich gut, ich stehe der Homöopathie sehr positiv gegenüber, hatte das aber für den Krebs bisher nicht in Erwägung gezogen. Sie nannte mir eine erfahrene Ärztin, zu der ich gehen könnte.
Am nächsten Tag dann (heute) erneut zur Blutbildkontrolle: Der Leukowert ist auf 0.7 gestiegen, die roten Blutkörperchen schlagartig auf 3.3 gefallen. Ich rutsche doch mal eben in eine Anämie rein. :-( Eine andere Schwester gab mir die Spritze, und auch sie sagte, es ist nicht verkehrt, eine Chemo wegzulassen, wenn man das Gefühl hat, sie würde mehr belasten als nützen. Jede Patientin könne das nur für sich selbst entscheiden. Sie vermutete erst, ich hätte Angst vor einem Rezidiv, wenn ich die Chemo weglasse, aber dem ist nicht so. So war es zu Beginn der Therapie. Aber inzwischen liegen die Verhältnisse anders. Selbst wenn ich ein Rezidiv bekäme und hätte die 6. Chemo weggelassen, würde ich nicht denken, ach hätte ich damals nur... sondern ich würde denken, die eine Chemo hätte es wahrscheinlich auch nicht gebracht, mich davor zu bewahren. Denn ich erachte 5 Chemos für mich als genauso wirksam wie 6 Chemos bei einer durchschnittlichen Patientin, deren Blutwerte nicht so stark in den Keller rauschen. Die Reaktion der Blutwerte ist für mich ein Anzeichen der Wirksamkeit. Und so sehen es ja die Ärzte auch.
Ich will nicht unter 0.5 rutschen, ich will es nicht soweit kommen lassen, dass sie mich unters Isolierzelt stecken oder eine Bluttransfusion notwendig wird. Eine Patientin, die solche Bluttransfusionen hatte, deutete heute nur an, wie schlimm das war, sie war nicht bereit darüber zu sprechen. Ich bin nicht bereit, so etwas zu ertragen, allein nur für die eventuelle Möglichkeit, dass da noch Mikrometastasen sind. Ich habe das Gefühl, WENN es denn welche gegeben hat, dann sind die sicher durch 5 Chemos hinreichend bekämpft. Ich möchte vielmehr mein Immunsystem wieder aufbauen, so dass DIESES die Bekämpfung von entarteten Zellen übernehmen kann.