Untersuchung auf Metastasen
eikesmom, Freitag, 13. Januar 2006, 23:36
Heute standen weitere Untersuchungen an, um festzustellen, ob es in meinem Körper Metastasen gibt. Die Wahrscheinlichkeit dafür war eigentlich gering, da ja die Lymphknoten nicht befallen waren.
Ich hatte gerade geduscht und nasse Haare, als es hieß, ich würde abgeholt und zur Nuklearmedizin rübergefahren werden. Ich fönte eben meine Haare trocken und wurde im Bademantel rübergekarrt. In einem großen Raum mit schlechter Akustik fragte mich der Nuklearmediziner von weit entfernt, wie groß und wie schwer ich sei, ob ich schon mal Knochenbrüche oder OPs an Knochen gehabt hätte und ob ich schwanger sei oder nicht. Dann bekam ich eine Spritze mit einem Mittel, das Technetium-99 enthält, ein radioaktives Element. Soviel wusste ich aus einer Infobroschüre zumindest. Ich hätte den Arzt gerne noch gefragt, welche Halbwertszeit das Element hat, aber schwupp war er schon wieder weg, nachdem er mir sagte, um 12 Uhr soll ich wieder da sein und bis dahin mindestens 1,5 Liter trinken.
Als ich wieder zurück war, hatte die Schwester netterweise ein Frühstück für mich bereitgestellt. Um die Zeit war nämlich der Buffetraum längst wieder zu. Ähnlich ging es dann am Mittag. Ich musste ja wieder in die Nuklearmedizin genau dann, wann es eigentlich Mittagessen gibt. Naja. Mein Appetit wurde eh von Tag zu Tag weniger, obwohl man über das Krankenhausessen wirklich nicht meckern konnte.
Um viertel vor 12 wurde ich also wieder abgeholt und rübergefahren. Erst musste ich meine Blase entleeren und dann alle Metallteile abgeben. Ich hatte ja noch die Flasche, die das Wundsekret absaugen sollte mit einer Sicherheitsnadel am Bademantel befestigt. Die Nadel musste ich abmachen. Dann sollte ich mich auf eine schmale Pritsche legen, um die herum die Spezialkamera herumfahren und entlangfahren konnte. Meine Füße wurden locker zusammengebunden, die Arme sollte ich lang ausstrecken, Daumen nach oben, dicht am Körper. 20 Minuten lang durfte ich mich nicht bewegen. In dieser Zeit fuhr die Kamera meinen gesamten Körper ab und registrierte die Strahlung, die aufgrund des Zerfalls von Technetium-99 aus meinem Körper kam. Vor allem aus den Knochen eben. Und es hieß, dass das Zeug sich besonders in Knochenmetastasen sammelt.
Das Ganze nennt sich Skelett-Szintigrafie.
Als ich fertig war, fragte ich den Assistenten, ob die Kamera ein Gamma-Detektor ist. Aber mit dieser Frage habe ich den jungen Mann schon überfordert *grins*. Der Arzt von vorhin kam kurz rein, schaute sich das Bild an und sagte, es sei unauffällig und verschwand wieder. Scheint ein recht vielbeschäftigter Mensch zu sein!
Nun stand noch der Leberultraschall an. Es heißt, Metastasen bilden sich zuerst in Knochen und der Leber. Aber der Nachmittag blieb ruhig. Am Vormittag war eine neue Patientin zu mir ins Zimmer gekommen, die vorher im Intensivzimmer lag und eine Gebärmutter-OP hatte. Am Nachmittag kam nur die Physiotherapeutin, diesmal ohne die Schülerin, die leider in der Familie einen Todesfall hatte und sich freigenommen hatte. Das tut mir sehr leid.
Als es Abendbrot gab, dachte ich, so ein Mist, wenn das mit dem Leberultraschall nicht mehr klappt, muss ich doch noch bis Montag warten! Ich telefonierte gerade mit meiner Mutter, als es plötzlich hieß, ich soll zum Leberultraschall, dabei war es schon 19 Uhr durch! Nun gut, dann kann ich ja doch am Wochenende nach Hause.
Aber die junge Ärztin (wir kannten uns schon vom 4. Januar) fand einen hellen Bereich an meiner Leber, den sie sich nicht erklären konnte. Sie versicherte mir, dass das nichts Bösartiges ist, aber dennoch sollte sich das die Oberärztin mal anschauen. Seufz! Oder die Radiologie am Montag. Na bravo!
Ich war wütend. Ich wollte doch Samstag nach Hause!
Okay, dann wenigstens Sonntag!
Ein Tag mit viel Trubel
eikesmom, Donnerstag, 12. Januar 2006, 23:35
Gestern abend konnte ich kaum einschlafen, so aufgeregt war ich. Ein Vorstellungsgespräch! Und ich muss da noch anrufen und es bestätigen. Schwester Elke bot mir ein Schlafmittel an, aber das wollte ich nicht. Aber die Rescue-Tropfen habe ich ausprobiert. Ich hatte vor lauter Aufregung vor meinem inneren Auge schnell wechselnde Bilder mit vielen Zacken. Unter den Rescue-Tropfen veränderten sich diese Bilder, sie änderten sich langsamer und am Ende schienen es nur noch sanfte Sinuswellen zu sein. Die Wirkung war nicht dramatisch, aber dennoch half es.
Heute waren eine ganze Menge Leute bei mir im Krankenhaus! Ich war ja nun mit der Kunsttherapeutin verabredet. Kurz vorher kam dann aber die Physiotherapeutin und machte wieder Bewegungsübungen mit mir. Also ging die Kunsttherapeutin wieder und kam erst später. Mit ihr malte ich dann. Ich hatte am Tag zuvor eine Eingebung, was ich malen wollte. Eine Spirale aus Regenbogenfarben. Ich weiß nicht warum, es war eine spontane Idee, die ich hatte, die vor meinem geistigen Auge entstand, als ich mit ihr sprach.
Regenbogenfarben sind für mich reine Farben, dafür habe ich eine Vorliebe. Das weiße Sonnenlicht teilt sich in diese Farben. Warum die Spirale? Mag sein, dass alles auf ein Zentrum zuströmt - oder auch aus einem Zentrum herausfließt.
Die Visite wurde auf den Nachmittag vertröstet, weil ich gerade malte. Gegen Mittag waren wir fertig, es gab Mittagessen, und unmittelbar danach kamen meine Mutter und meine Schwester. Sie waren extra 150 km weit gefahren, um mich zu besuchen - und vor allem, weil mein Schwager darauf bestand *lach*. Ich war erstaunt, wieviele Menschen Interesse daran hatten, wie es mir geht.
Dann kam die Mitarbeiterin vom Sozialdienst und erklärte mir meine Möglichkeiten. Sie brachte mir einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis mit. Ich wusste bereits von meiner Hausärztin, dass ich als Krebspatientin einen beantragen kann. Meine Situation ist durch den Arbeitsplatzverlust besonders kompliziert, möglicherweise sollte ich den Schwerbehindertenausweis nicht beantragen, wenn ich eine neue Arbeit suche. Wer stellt denn so jemanden ein?
Noch während meine Mutter, Schwester und die Frau B. da waren, kam die Visite. Und die ließ sich diesmal nicht vertrösten. Die anderen gingen kurz raus, die Visite ging ja schnell. Es hieß, ich könnte am Samstag oder Sonntag nach Hause! *freu*
Erst um halb drei am Nachmittag kehrte Ruhe ein. Ich wollte den Termin für das Vorstellungsgespräch bestätigen, erreichte aber niemanden telefonisch. Mein Mann kam, und ich versuchte es noch zweimal mit dem Telefon. Niemand hob ab. Dann beschlossen wir, es per E-Mail zu machen. Im Krankenhaus gab es aber keinen Internetzugang, also bat ich meinen Mann, es von zuhause zu tun.
Ich hatte ja nun Telefon an meinem Bett. Aber Telefonieren ist gar nicht so einfach an so einem Tag. Es war ja immer was los. Und wenn man mal meint, jetzt könnte man jemanden anrufen, kam prompt wieder jemand rein und wollte was. Ich hab schon immer gesagt: Leute, ruft mich abends nach 19 Uhr an. Dann ist Abendbrot vorbei und da passiert nix mehr.
Die Operation
eikesmom, Mittwoch, 11. Januar 2006, 23:34
Am frühen Morgen schon um viertel nach sechs waren mein Mann und ich im Krankenhaus eingetrudelt. Die Nachtschwester, Schwester Elke, eine ganz ganz Liebe, brachte uns auf ein Zimmer. Von den zwei Betten konnte ich mir eins aussuchen. Ich wählte die Fensterseite.
Ich packte meine Tasche aus, legte alles in den Schrank. Ich bekam ein OP-Hemd, Einmalslip, Thrombosestrümpfe und sollte einen BH bereitlegen. Dann bekam ich eine Beruhigungstablette. Von der hieß es, wird man müde. Jaja, das kann ich bestätigen! Ich wurde im Bett liegend runtergefahren. In den Fahrstuhl rein, runter, aus dem Fahrstuhl raus - und dann wusste ich nichts mehr. Eigentlich hätte ich erst noch bei Bewusstsein bleiben sollen, während sie unter Ultraschall den Tumor mit einer Nadel markierten. Damit der Chirurg weiß, wo er schneiden muss. Aber das habe ich gar nicht mehr mitbekommen.
Es war viertel vor zwölf, als ich wieder aufwachte. Ganz langsam wurde ich wach, viel langsamer als damals nach meiner Gallenblasen-OP. Ich hatte Schmerzen unter dem Arm und in der Brust. Aber mit den Schmerzmitteln, die ich dann bekam, war es erträglich. Den Nachmittag döste ich so vor mich hin. Bei der ersten Visite hatte ich kaum Fragen, weil ich noch so müde war. Der Chirurg selbst war da, und er sagte, der Tumor sei ca. 1,7 cm groß gewesen. Und 15 Lymphknoten wurden mir entfernt.
Am Tag danach erfuhr ich dann, dass alle 15 Lymphknoten frei von Krebszellen waren! Das war doch mal eine tolle Nachricht! Ich fühlte mich richtig gut - bis auf meine Beweglichkeit, die war doch arg eingeschränkt. An richtigen Schlaf war nicht zu denken, wenn man nur auf dem Rücken liegen darf und der linke Arm auf einem Keil liegen musste.
Am Tag nach der OP habe ich bereits geduscht und mich mit der linken Hand gewaschen, weil die rechte Hand noch die Braunüle hatte. Die Physiotherapeutin und eine Physiotherapieschülerin kamen und zeigten mir Übungen, mit denen ich meine Beweglichkeit zurückgewinnen sollte. Sie waren sehr zufrieden mit mir. Sie sagten, ich sollte möglichst bald eigene Sachen anziehen und mich ganz schnell vom Bett verabschieden, dann klappt das noch besser.
Nach dem Mittagessen kam die Psychologin. Wir sprachen vielleicht eine Stunde lang miteinander. Ich fand, man kümmerte sich sehr gut um mich, es tat mir gut, jemanden zu haben, mit dem ich reden konnte. Dann kam auch eine Kunsttherapeutin, mit der verabredete ich mich dann für den nächsten Tag um 10 Uhr.
Am Nachmittag bekam ich dann den ersten Besuch von meiner Familie und Schwiegermutter. Eike hatte eine Blume gebastelt, und mein Mann brachte mir Post mit: die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch! Ich war ganz aus dem Häuschen! Ich war geradezu euphorisch. Ich ging davon aus, dass ich schnell wieder gesund sein würde und dann in einer neuen beruflichen Position durchstarte und wie Phönix aus der Asche steige!
Der Tag vor der OP
eikesmom, Montag, 9. Januar 2006, 23:33
Die Tage nach dem Vorgespräch im Krankenhaus am 4. Januar war ich nun morgens allein zuhause, mein Mann arbeitete wieder, mein Sohn war bei der Oma. Ich lag morgens im Bett und grübelte. Mannomann, war das schwer aufzustehen und den Tag zu beginnen! Irgendwie raffte ich mich auf.
Dann klingelte plötzlich das Telefon. Und den ganzen Vormittag stand es nicht mehr still. Insolvenzverwalter, meine Mutter, mein Vater riefen an. Ich selbst telefonierte mit der Krankenkasse insgesamt fast eine Stunde lang (mit mehrfachem Weiterverbinden). Um 11 Uhr kam ich erst dazu zu frühstücken. Okay, vielleicht war das ganz gut. Ich war gezwungen, mich zu kümmern. Um meine Finanzen. Meine Eltern wollten wissen, was die im Krankenhaus gesagt haben, wann ich operiert werden soll, und überall tauchten Bekannte, Nachbarn, Verwandte auf, die alle ebenfalls Brustkrebs hatten und dies oder jenes erlebt hatten. Ja, es war zur Normalität geworden. Scheinbar war jeder entweder betroffen oder kannte jemanden, der betroffen war.
Am Tag nach dem Termin im Krankenhaus stand also das Telefon nicht still. Auch in Sachen neue Arbeit tat sich etwas. Ich bekam Post, dass meine Bewerbung, die ich noch Ende Dezember abgeschickt hatte, geprüft würde. Oje, dachte ich, die sind aber schnell! Was ist, wenn ich eine Einladung bekommen soll und ich gerade im Krankenhaus bin? Trotzdem freute ich mich riesig über diese Post und sprang in der Küche herum wie ein kleines Kind! Ich träumte bereits davon, bald eine neue Arbeit zu haben, und das motivierte mich ungemein.
Am Wochenende holten wir unsern Sohn wieder von der Oma ab. Ich hatte die Tage einen gesegneten Appetit und aß Unmengen. Als wir Sonntag wieder zuhause waren, machte ich mich über Zartbitter-Erdnussberge her. Das war ein Fehler! Danach fühlte ich mich gar nicht gut. Am frühen Montagmorgen um halb vier hing ich überm Klo und übergab mich. Durchfall hatte ich auch. War das jetzt ein Magen-Darm-Virus? Oder bin ich einfach nur aufgeregt wegen der OP? Das sicher auch. Aber im Nachhinein wurde mir klar, ich hatte zuviel und ungesund gegessen, und da ich keine Gallenblase mehr habe, reagierte ich mit Durchfall und Erbrechen.
Zum Abend hin war mir zwar nicht mehr schlecht, aber mir tat alles weh. Es fühlte sich so an wie ein Magen-Darm-Infekt, aber das durfte nicht sein! Ich soll doch morgen operiert werden!
Beim Anruf im Krankenhaus sagte man mir, ich soll einfach mal gucken, wie es in der Nacht wird und ggf. morgen nochmal anrufen, wenn es nicht geht. Ansonsten soll ich um 6:45 Uhr da sein, ich bin gleich als erste dran.
Das neue Jahr
eikesmom, Mittwoch, 4. Januar 2006, 23:31
Silvester habe ich sehr ruhig und unspektakulär im Kreise der Familie verbracht. Ich bin froh, dass das alte Jahr vorbei ist. Es war kein gutes Jahr für mich. Nun will ich nach vorn blicken und habe mir fest vorgenommen, dass das neue Jahr besser wird. Kann ja eigentlich nur besser werden!
Eike wollte noch eine Woche Ferien bei der Oma machen. Am 2. Januar fuhren wir zwei also die 200 km-Strecke. Ich blieb eine Nacht bei meiner Mutter. Der Abschied von meinem Kind am nächsten Tag fiel mir schwer. Das erste Mal so weit weg von zuhause sollte ich ihn lassen? Aber die Tränen waren schnell getrocknet, sowohl bei mir als auch bei ihm - wie meine Mutter mir später am Telefon sagte. Eike und ich telefonierten jeden Tag miteinander.
Am 4. Januar fuhren mein Mann und ich erst zum Frauenarzt, um die Überweisung fürs Krankenhaus zu holen. Ich bekam auch gleich einen gelben Schein bis Ende Januar ausgestellt. Es ist ein komisches Gefühl: Man fühlt sich eigentlich gar nicht krank, ich habe keine Schmerzen, ich habe ausnahmsweise mal keinen Infekt, und nun kriege ich einen gelben Schein für fast einen Monat! Und mit der Aussage, dass der auch weiter verlängert werden wird.
Im Krankenhaus untersuchte mich eine sehr junge Ärztin. Sie erklärte mir zuerst, was bei der Operation gemacht wird. Wenn der Tumor klein genug ist, könne man das Wächterlymphknotenverfahren anwenden. Hierzu wird der erste Lymphknoten radioaktiv markiert, und wenn er nicht von Krebszellen befallen ist, dürfen die Lymphknoten drin bleiben und nur der Tumor wird entfernt. Im Ultraschall zeigte sich allerdings nun neben dem Tumor noch eine andere Stelle, und zusammen genommen war der Bereich zu groß für das Verfahren. Also müssen auch Lymphknoten bei mir entfernt werden. Der OP-Termin wurde auf den 10. Januar festgesetzt. So bald schon! Aber es ist gut so, wer weiß, wie sehr ich noch ins Grübeln komme, wenn es noch länger gedauert hätte!
Dann wurde mir noch Blut und Urin abgenommen, und zum Schluss gab es noch ein Gespräch mit einer Case-Management-Beraterin. Eine sehr freundliche, liebe Frau, die uns nochmal alles zusammenfassend erklärte. Wie schon vor Weihnachten beim Frauenarzt erzählte mein Mann von dem Verlust meines Arbeitsplatzes. Ich hätte das gar nicht erzählt, weil ich daran gar nicht mehr dachte. Ich habe das so sehr verdrängt, es war überhaupt gar nicht mehr wichtig für mich. Schien es zumindest. Denn als das zur Sprache kam und zusätzlich zu meiner Krankheit in die Waagschale geworfen wurde, wurde es zu schwer. Ich kämpfte die Tränen zurück, schaffte es nicht, bekam ein Taschentuch. Sie sagte, ich darf ruhig weinen.
Ich habe nur Angst, ich kann gar nicht mehr aufhören, wenn es einmal losgeht....
Weihnachten 2005
eikesmom, Montag, 26. Dezember 2005, 23:30
An Heilig Abend erwarteten wir Besuch von meinen Schwiegereltern und meiner Schwägerin. Und außerdem sollte ein Weihnachtsmann die Geschenke für unseren Sohn bringen.
Ich begann schon nachmittags um vier mit den Vorbereitungen für das Essen. Ich dachte mir, dann kann ich das in Ruhe zu Ende bringen, es kommt keine Hektik auf, und ich war beschäftigt. Ich war völlig vertieft und vergaß alles um mich herum. Pünktlich, genau in dem Moment, als der Weihnachtsmann ans Fenster klopfte, war ich fertig. Das Essen konnte in den Ofen geschoben werden.
Es gab Unmengen an Geschenken. Mein kleiner Spatz ließ sich Zeit beim Auspacken - in dem Tempo würde er um Mitternacht noch nicht fertig sein! *lach* Die gerade ausgepackten Spielsachen waren ja auch so spannend, dass er erstmal spielen musste.
Ich war froh, nicht mehr so im Mittelpunkt zu stehen. Meine Krankheit war an diesem Abend kein Gesprächsthema, und das war gut so.
So langsam fing ich an, mich mit dem auseinanderzusetzen, was auf mich zukommen sollte. Nachdem ich anderen davon erzählte, bekam ich mit, wieviele betroffene Frauen es gibt. Das hätte ich nicht gedacht! Ungefähr 8 bis 10 Prozent aller Frauen bekommen in ihrem Leben Brustkrebs! Das ist viel, finde ich. Aber die Heilungschancen sind auch sehr gut, wenn es früh erkannt wird. Doch meist erfuhr ich von Freundinnen, dass ihre Mütter betroffen seien. Sie erzählten mir, wie es ihnen ergangen ist, und so langsam wurde ein Weg sichtbar, den ich gehen konnte.
Ich informierte mich im Internet. Für mich ist es wichtig, dass ich genau dann die Antworten bekomme, wenn ich das möchte. Wenn ich einen Termin beim Arzt habe, muss ich meine Fragen zu einem bestimmten Zeitpunkt parat haben. Manchmal brauchen Informationen Zeit, bis sie wirken, manchmal lösen sie bei mir aber auch sofort viele weitere Fragen aus, so dass es sein kann, dass ich mich Stunden mit dem Thema beschäftige. Soviel Zeit hat ein Arzt im allgemeinen nicht. So sitze ich abends stundenlang am PC und lese und lerne. Und je mehr ich wusste, desto sicherer fühlte ich mich.
Der erste Tag nach der Diagnose
eikesmom, Freitag, 23. Dezember 2005, 23:28
Den Alltag meisterte ich mehr oder weniger mechanisch. Ich verdrängte den Gedanken an Krebs, wollte ihn einsperren in eine kleine Kiste und diese dann im hintersten Winkel des Schranks verstecken. Ich wollte einfach mein Leben wieder haben, wie es vorher war. Ich verschloss meine Gefühle sorgsam, doch immer, wenn ich nachdenkliche Liedtexte hörte, wenn ich ein Gedicht las oder irgendetwas anderes, was das Gefühl ansprach, kam es hoch. Mir kamen die Tränen. Vor allem abends vor dem Einschlafen. Mein Mann nahm mich in die Arme und sagte, wir schaffen das schon. Er sagte, er habe mich geheiratet und geschworen, zu mir zu stehen, in guten und in schlechten Zeiten.
Er begleitete mich nun auch zum Röntgen der Lunge. Es ging recht schnell. Wieder war es kurz vor Mittag und damit kurz vor Schließung der Praxis. Ich vermute, sie haben den Termin deshalb nochmal um eine Stunde nach hinten verschoben, damit ich die letzte Patientin bin - für alle Fälle. Kann ja sein, dass sie was finden, und ich dann heulend zusammenbreche. Macht sich nicht gut, wenn das Wartezimmer noch voll ist. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits, es muss nicht den Tatsachen entsprechen.
Jedenfalls zeigte mir der Radiologe die Aufnahme nicht, sondern sagte nur, es sei alles in Ordnung mit der Lunge und "man wird Ihnen helfen können". Die Praxismannschaft stand versammelt da und schaute mich an. Ich wünschte ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und dankte ihnen. Man drückte mir den grünen Umschlag mit der Röntgenaufnahme in die Hand, und schon waren wir wieder draußen.
Auf dem Weg nach Hause dachte ich: wieso zeigte er mir die Aufnahme nicht, bevor er sie in den Umschlag legte? Ist vielleicht doch etwas an meiner Lunge, und sie wollten es mir nicht sagen, so kurz vor Weihnachten? Warum muss so etwas eigentlich zu Weihnachten passieren?
Zuhause packte ich die Aufnahme aus und schaute sie mir an. Ich fand nichts Besorgniserregendes. Ich traute mir durchaus zu, zu erkennen, wenn da etwas ist, was da nicht hingehört. Es war nichts außer einer wunderschönen Nichtraucherlunge, fand ich.
Inzwischen hatte ich Freundinnen von meiner Diagnose erzählt. Es gab Stimmen, die sagten, sie hätten sich nicht getraut, die Ergebnisse so kurz vor Weihnachten zu erfragen. Aber wie sollte ich die Feiertage überstehen mit dieser Ungewissheit? Dann lieber wissen, woran man ist, auch wenn es schlechte Nachrichten sind!
Ergebnis aus der Pathologie
eikesmom, Donnerstag, 22. Dezember 2005, 23:26
In den Tagen nach der Mammografie waren meine Gedanken nun nicht mehr bei beruflichen Belangen. Ich dachte nur noch ständig: was ist, wenn es Krebs ist?
Die Angst um den Arbeitsplatz und die Angst, keine neue Stelle zu finden, war plötzlich zweitrangig. Wichtiger war jetzt - ja, am wichtigsten sollte stets sein - meine Gesundheit. Wenn es denn Krebs sein sollte, muss ich doch mit all meiner Kraft dagegen kämpfen und alles tun, um wieder gesund zu werden. Vielleicht will mir mein Körper sagen, dass er nun auch mal dran ist. Vielleicht wollte er mir sagen, dass sich in meinem Leben einiges im Argen befindet. Dass sich etwas ändern muss. Aber was? War der Stress im Beruf zuviel? Sollte es vielleicht so sein, dass ich gleichzeitig meinen Arbeitsplatz verliere und krank werde, um mir die Augen zu öffnen, dafür, dass sich etwas ändern muss?
Die Wahrscheinlichkeit war nun nicht mehr so gering, dass es sich wirklich um Krebs handelt, und so begleitete mich mein Mann zu meinem Frauenarzt. Wir warteten nur wenige Minuten im Wartezimmer.
"Ich muss Ihnen leider sagen, dass es nicht so gut aussieht", sagte der Arzt vorsichtig. Noch bevor er dies aussprach, sah ich es in seinem Gesicht. Ich schaute ihn mit großen Augen an und konnte nichts sagen. Ich knetete meine Hände und schluckte nur ein paar Male. Er erklärte ein paar Fakten aus dem Brief des Pathologen, aber die Worte schienen durch mich hindurch zu gehen, ohne eine wirkliche Resonanz auszulösen. Ich erinnerte mich später nur noch an ein paar Stichworte wie "Hormonrezeptoren", "Gefäßbeeinträchtigung" oder so. Mein Mann stellte Fragen, und ich war dankbar dafür, dass er bei mir war, dass er ein Gespräch mit dem Arzt führte, während ich so sprachlos war. Nun, nach einer Weile stellte auch ich Fragen. Wie denn jetzt die Vorgehensweise sei. Wir beratschlagten, in welche Klinik ich gehen sollte. Mein Arzt griff zum Telefon und meldete mich im Krankenhaus an. Ich bekam einen Termin im neuen Jahr, am 4. Januar. Und dann sollte ich nochmal zum Radiologen, zum Röntgen der Lunge, weil die das im Krankenhaus brauchen. Später dachte ich, wozu brauchen die das denn? Ich hatte den EIndruck, er wollte nicht direkt deutlich sagen, dass man in der Lunge Metastasen finden könnte, bevor es nicht wirklich feststand. Aber als ich zuhause war, wurde mir schon klar, dass man die Lunge deshalb röntgt.
Ich bekam schon am nächsten Tag den Termin beim Radiologen - einen Tag vor Weihnachten.
Die Mammografie
eikesmom, Montag, 19. Dezember 2005, 23:23
In den letzten Tagen spitzte sich die Lage in der Firma zu. Es wurde Insolvenzantrag gestellt, ich ging zur Agentur für Arbeit und meldete mich arbeitssuchend.
Erst am Tag der Mammografieuntersuchung beschäftigte ich mich gedanklich mit meiner Gesundheit. Ich ging immer noch davon aus, dass der Knoten gutartig sei - aber was ist, wenn nicht? Würde ich damit fertig werden können?
Die Arzthelferin, die bei mir die Mammografie durchführte, fragte mich, ob es in meiner Familie einen Brustkrebsfall gegeben habe. Ich erinnerte mich an meine Oma väterlicherseits, der sie beide Brüste abgenommen hatten. Da war sie allerdings schon 70 Jahre alt. Ich bin nicht mal 40 Jahre... Okay, mir war schon klar, dass das keine Sicherheit bietet, schließlich gibt es auch noch viel jüngere Krebskranke. Ich will damit nur sagen: ich habe es nicht wahrhaben wollen. Warum sollte es gerade mich treffen? Reicht es nicht, dass ich gerade meinen Arbeitsplatz verloren habe?
Als ich nach dem Entwickeln der Röntgenbilder zum Arzt reingerufen wurde, sollte ich mich auf eine Untersuchungsliege legen. Der Radiologe meinte, das gefiele ihm gar nicht. Ob ich mal mit dem Fahrrad gestürzt und auf die Brust gefallen sei, fragte er. Nein, an so etwas könne ich mich nicht erinnern, sagte ich.
Er schlug vor, eine Gewebeprobe zu nehmen. Er könne das gleich sofort machen, dann müsste ich nicht extra ins Krankenhaus. Ich willigte ein. Meine linke Brust wurde örtlich betäubt und eine Hohlnadel an den Knoten herangeführt, es machte "KLACK". Man nennt diese Art der Probenentnahme "Stanzbiopsie". Das wiederholte sich noch zweimal. Ich lag da wie ein Häufchen Elend, und ich dachte: ist es doch bösartig? Wann hört das auf?
Der Arzt zeigte mir ein Röhrchen, das mit Flüssigkeit und einer winzigen Gewebeprobe gefüllt war. Die Probe war dünner als ein Millimeter und vielleicht zwei Zentimeter lang. Ich bekam ein Kühlkissen auf meine Brust und sollte mich erst noch ein wenig ausruhen. Ich bekam ein Glas Wasser zu trinken - mein Mund war total ausgetrocknet. Die Gewebeproben wurden an ein Labor geschickt, und wenige Tage später sollte mein Frauenarzt dann die Ergebnisse haben.
Als ich die Praxis verließ, fühlte ich mich noch nicht in der Lage, Auto zu fahren. Ich war ja allein gekommen. Ich ging also in ein nahegelegenes Einkaufszentrum, trank eine heiße Schokolade und machte ein paar Weihnachtseinkäufe. Als das Zittern in meinem Körper nachließ, ging ich wieder zurück zum Auto und fuhr heim.
Ein Knoten in der Brust
eikesmom, Donnerstag, 1. Dezember 2005, 23:06
Der letzte Besuch des Frauenarztes lag schon gut ein Jahr zurück, als ich mich endlich mal wieder bei ihm anmeldete. Ich hatte die letzten 2-3 Jahre immer wieder mit Atemwegsinfekten zu tun, so dass ich andauernd bei meinem Hausarzt war. Früher hatte ich einen Schnupfen 7 Tage lang, und wenn ich zum Arzt ging, eine Woche. Aber in letzter Zeit zog sich ein Infekt wochenlang hin, mit heftigem Husten, teilweise Fieber, und Mittelohrentzündungen. Die Antibiotika führten zu Durchfällen und letztendlich zu einer Pilzinfektion, die ich nun vom Frauenarzt behandelt haben wollte.
Es war der 1. Dezember 2005. Bis auf die Pilzinfektion dachte ich, die übliche Krebsvorsorgeuntersuchung sei wie immer Routine. Aber beim Abtasten der Brust entdeckte er einen Knoten! Ich konnte ihn selbst fühlen, nachdem er mir zeigte wo. Der Knoten ließ sich verschieben. Er sagte, der Knoten sei wahrscheinlich gutartig, man müsse das aber mit einer Mammografie abklären. Ich war eigentlich fast überhaupt nicht beunruhigt, ich vertraute darauf, dass das bestimmt gutartig ist und vielleicht wieder von selbst verschwindet. Aber immerhin konnte man das verflixte Ding im Ultraschall sehen, und es maß im Durchmesser vielleicht eineinhalb Zentimeter.
Warum ich damals nicht so beunruhigt war, mag auch damit zusammenhängen, dass ich mich mit anderen Problemen beruflicher Art herumschlagen musste. Mein Arbeitsplatz war gefährdet und ich sah mich bereits nach einem neuen Arbeitgeber um, schrieb Bewerbungen. Meine Gedanken kreisten um meine berufliche Existenz. Das mit dem Knoten wird schon nix sein...