Verluste :-(
Heute habe ich einen echten Durchhänger :-( Ich fühl mich wie ein Getriebe mit Sand, es hakt an allen Ecken und Kanten. Seit gestern Schmerzen im Oberarm, oberhalb der Stelle, wo bei der Chemo die Nadel gesessen hat. Als ich heute morgen mir das genauer anschaute, sah ich eine schwache dunkle Linie. Na prima, die Vene...

Okay, ich war ja vorgewarnt. Das Adriamycin kann die Venen kaputt machen. Nun habe ich den Salat. Ich bin ins Krankenhaus gefahren, um das begutachten zu lassen. Es heißt, mit etwas Glück und Heparinsalbe und Kühlen wird die Vene wieder durchgängig. Und wenn nicht, sei es auch nicht so schlimm, das Blut suche sich andere Wege. Ich hab ja noch ein paar mehr Venen.... Na bravo, dachte ich.

Nach dem Besuch einer Freundin fuhr ich dann wieder nach Hause, machte mir ein schnelles Essen (Nudeln mit Thunfischsoße), und ärgerte mich wieder mal über den "Beschiss". Anders kann man es nicht nennen. Essen ist für mich momentan echter Beschiss. Man riecht das gute Essen, es duftet herrlich, und man freut sich auf den Gaumenschmaus. Und was ist? Nix is. Es schmeckt nach NICHTS! Die Geschmacksnerven haben wieder mal ihren Geist aufgegeben. Okay, in ein paar Tagen ist das wieder vorbei, es ist vergänglich - aber es drückte eben heute auch noch auf meine Stimmung. Das Wetter tut sein übriges...

Im Fernsehen sehe ich einen Bericht über einen Mann, der mit einem Fahrrad durch Kanada zum Polarmeer fährt. Was für Strapazen der durchmacht. Freiwillig. Für einen Moment lang habe ich gedacht, lass uns tauschen. Ich habe mich gefragt, was mir eigentlich am meisten zu schaffen macht. Und ich meine, es ist die Angst, dass mit mir unwiederbringlich was kaputt geht. Dass ich mein ganzes Restleben lang mit irgendwas leben muss - eine Herzschwäche. Kaputte Venen. Oder sowas. Und dann habe ich mich gefragt, wieso ist das eigentlich so schlimm? Viele Leute haben irgendwelche Beschwerden. Niemand ist frei von Makel. Aber sie leben. Sie leben und machen eben das Beste draus. Und das ist die einzige Chance.

Ich habe immer versucht, perfekt zu sein. Und haderte mit meinem Schicksal, dass ich nicht perfekt bin. So ist es auch jetzt. Wieder einmal habe ich im Grunde "gewusst", dass niemand perfekt sein kann und es eigentlich auch nicht erstrebenswert ist, weil man dann so einsam ist. Aber "gewusst" heißt nicht wirklich "begriffen". Ich beginne zu begreifen.... Ich fühle es am eigenen Körper. Ich kann nichts dagegen tun. Bis vor kurzem habe ich noch gedacht, okay, mit Training und Disziplin kann ich ALLES erreichen. Ich könnte, wenn ich wollte. Wollte aber nicht. Insgeheim wollte ich doch... Und nun? Alles, was ich tun kann, ist, das Beste draus zu machen und gelassen zuzusehen, was sich ergibt.
in: Brustkrebs
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