Was tun?
Gestern, als ich noch an meinem Arbeitsplatz war, war ich in Gedanken schon bei meinem Termin im Krankenhaus. Ich konnte mich nicht wirklich konzentrieren. Um halb elf machte ich dann Schluss, um rechtzeitig zum Termin zu erscheinen. Die Parkgebühren auf dem Gelände des Krankenhauses sind erhöht worden, stellte ich als erstes fest. Wie lange werde ich wohl brauchen? Es war jetzt gerade 11 Uhr. Ich warf Münzen für eine Parkzeit bis halb vier ein. Das müsste reichen. 4,50 € kostete das. Es ist ziemlich teuer, krank zu sein.
Ich meldete mich an und wartete im Vorraum. Es lief ein Radiosender. Die Zeitschriften hatte ich bald alle durch. Mir fiel ein, dass ich eigentlich ein Buch mitnehmen wollte. Mist.
So gegen halb zwei kam ich dann dran. Die Ärztin, die mich untersuchte, kannte ich noch nicht. Ich habe den Eindruck, die Ärzte wechseln sehr schnell in Krankenhäusern.
Das erste schockierende Ergebnis: die Schleimhaut ist nicht komplett abgeblutet. Eine Ausschabung ist immer noch erforderlich. Einfach auch, um abzuklären, ob bösartige Tumoren sich darin verbergen. Die Ärztin wollte es zunächst nicht so deutlich sagen. Aber ihre Vorsicht ist da echt überflüssig. Den Gedanken daran hatte ich schon, bevor ich das Krankenhaus betrat.
Was sie aber im Ultraschall nicht fand, war die zweite Zyste, die so suspekt aussah, letzten Dienstag. Sie befand, dass sich die Oberärztin das nochmal anschauen sollte. Mit einem Aufklärungsbogen für die Anästhesie setzte ich mich wieder in den Wartebereich, füllte den Bogen aus und wurde dann zur Anästhesie geführt. Dort musste ich wieder warten. Man drückte mir einen Aktenordner in die Hand. Da waren alle Berichte und Befunde drin, die sie von mir hatten. Von damals. Sogar mein selbst erstelltes Excel-Diagramm mit dem Verlauf meiner Blutwerte unter der Chemotherapie war darin. Da saß ich nun mit diesem Ordner auf dem Schoß. Am Fenster stand ein kleiner quadratischer Tisch mit zwei Stühlen. Die Stühle hatten verchromte Beine. Mir fiel auf, dass der eine verkehrt zusammengeschraubt war. Die Sitzfläche fiel nach vorn ab, statt nach hinten, wie es üblicherweise bei diesen Stühlen ist.
Sowas fällt einem auf, wenn man warten muss. Lange warten. Die Gedanken wirbeln im Kopf. Was wäre, wenn ich diesen Aktenordner einfach auf einen Stuhl lege, aufstehe, meine Jacke anziehe und das Krankenhaus auf Nimmerwiedersehen verlasse? Einfach alles zurücklassen. Die Angst ignorieren, ein neues Leben anfangen und einfach gucken, wie lange es dauern wird. Dieses Leben. Mir wurde bewusst, wie gefangen man ist in dem Leben, in dem man gerade steckt. Die Aufgaben, die man hat, die Verantwortung gegenüber der Familie, dem Arbeitgeber. Wer fragt nach meinen Bedürfnissen?
Ich bin sitzen geblieben.
Beim Gespräch mit dem Anästhesisten fragte er mich, wie denn normalerweise mein Puls sei. Ich sagte: Wenn ich aufgeregt bin, dann ist so 80-90 pro Minute normal. Wenn ich gelassen und entspannt bin, eher 60. "Dann sind Sie gerade aufgeregt?" fragte er. "Da können Sie einen drauf lassen, dass ich aufgeregt bin", sagte ich.
Nach dem Gespräch ging ich wieder zurück zur Ambulanz, gab meinen Aktenordner wieder dort ab und wartete wieder. Irgendwann kam die Oberärztin. Die kannte ich bereits, aber sie erkannte mich nicht wieder. Wie auch, nach zweieinhalb Jahren. Da sind ihr sicher tausende Patienten begegnet.
Aber auch sie konnte die zweite Zyste im Ultraschall nicht darstellen. Mein Darm war immer im Weg. Ich fragte, ob es nicht vielleicht eine andere Untersuchungsmethode gibt. MRT oder CT oder so. Es wurde mir gesagt, sie machen immer nur Ultraschall, das reiche als Grundlage für die OP. Manche Patienten bringen ein CT mit, dass sie anderswo haben machen lassen. Aha, dachte ich.
Dann sollte ich etwas umhergehen, mich bewegen. Ich konnte eh nicht mehr sitzen. Es sollte dann noch eine weitere Ärztin kommen, die auch die OPs macht, vielleicht hat sie ja Glück, die Zyste zu finden. Aber sie müsse noch in den Kreißsaal.
Also wieder warten. Inzwischen war die Parkzeit meines Autos abgelaufen. Ich entschied, dass es mir egal ist. Ich dachte an den Vorfall damals, als ich wegen einer Vorbesprechung für die Gallenblasen-OP in (einem anderen) Krankenhaus war, und mein Auto während dieser Zeit abgeschleppt wurde. Damals hatte ich allerdings auf einem Behindertenparkplatz geparkt, was ich Dussel nicht bemerkt hatte. Diesmal würden sie mein Auto nicht abschleppen. Und wenn ich ein Ticket bekommen würde, wäre mir das jetzt auch egal. Man stumpft irgendwie ab, wenn man da stundenlang wartet.
Um kurz nach fünf fragte man mich, ob ich zu einem anderen Termin wiederkommen möchte, weil das mit der Ärztin noch dauert. Ich hatte keine Lust, nochmal wieder zu kommen. Ich hatte schon den ganzen Nachmittag dort zugebracht, jetzt käme es auf eine Dreiviertelstunde auch nicht mehr an, sagte ich.
Also wartete ich weiter. Ich hatte glücklicherweise meinen iPod dabei und schlenderte den Gang rauf und runter, schaute mir die Bilder an, und einen Kasten mit Druckanzeigen für Sauerstoff und Lachgas. Ja, die haben da Lachgas. Ich fragte mich, wozu. Lachgas wurde früher zur Betäubung eingesetzt, aber heutzutage doch nicht mehr?

Als es dann halb sechs wurde, rief man mich wieder rein. Die Ärztin müsse noch einen Kaiserschnitt machen, daher müsste ich doch nochmal wiederkommen. Na klasse. Das Tüpfelchen auf dem i.
Morgen nachmittag tanze ich da also wieder an. Muss wieder der Arbeit fern bleiben. Ich weiß noch gar nicht, was ich den Kollegen sagen soll.
Aber einen vorläufigen OP-Termin habe ich. Am 12. Dezember. Es sei denn, die Ärztin findet morgen die Zyste und entscheidet, dass die raus muss. Dann würde das bedeuten, dass die OP nicht ambulant gemacht werden kann, und dann kriege ich sicher einen anderen Termin.

Die Ausschabung, so sagte man mir in der Aufklärung, wird mit einem scharfen Löffel durchgeführt. Dazu wird mittels immer dicker werdenden Stiften der Muttermund erweitert, damit schließlich der Löffel durchpasst. Es besteht das Risiko der Verletzung der Gebärmutter und einer Blutung in den Bauchraum. Es besteht das Risiko einer Zervixschwäche durch die Erweiterung des Muttermundes, was im Fall einer zukünftigen Schwangerschaft zu verfrühtem Öffnen des Muttermunds führen kann. Haha, dachte ich, zukünftige Schwangerschaft? Ich glaube nicht, dass ich in diesem Leben nochmal schwanger werde, sagte ich.
Und es besteht das Risiko, dass diese Ausschabung öfter gemacht werden muss, wenn sich die Schleimhaut immer wieder aufbaut, nicht abbluten kann usw.
Was mich inzwischen zu der Überlegung führt, ob es nicht ratsam wäre, die Gebärmutter gleich komplett entfernen zu lassen.
Das wäre endgültig. Keine Blutungen mehr. Kein Nährboden für Schleimhautkrebs.
Aber auch wirklich kein Baby mehr. Der Gedanke, dass das Leben nochmal sein Recht fordert, wenn die Antihormontherapie beendet ist, und das Schicksal entscheiden könnte, dass mein Sohn doch noch ein Geschwisterchen bekommen könnte, wäre endgültig dahin.
Das Ganze ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, klar. Und würde ich das wirklich wollen? Immerhin hätte der Papa auch noch ein Wort mitzureden. Und der würde sagen - nein. Allerdings stand er einer Total-OP seltsamerweise auch eher ablehnend gegenüber.
Was tun?
in: Medizinische Untersuchungen
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