Auf der Suche nach dem Richtungsanzeiger
Schon zu Beginn meiner Krebsgeschichte ist mir aufgefallen, wie viele Menschen eigentlich betroffen sind - selbst wenn man nur die Brustkrebsfälle betrachtet. Nachdem ich anderen von meinem Schicksal erzählte, bekam ich Feedback. Von einigen, deren Mütter betroffen waren. Und sogar direkt Betroffene, die ich gar nicht persönlich kannte sondern nur über telefonischen Kontakt beruflicher Art, offenbarten sich mir, nachdem ich von mir erzählte. Ganz zu Anfang war ich nah am Wasser gebaut. Dann bekam ich es geregelt, nicht gleich in Tränen auszubrechen, und war froh, wenn ich was erzählen konnte. Wieder eine Weile später hinterfragte ich mein Verhalten und dachte, vielleicht überfordere ich meine Umgebung mit meiner Offenheit.

Das war der Zeitpunkt, an dem ich begann, dieses Weblog zu schreiben. Ich dachte mir, es ist eine Möglichkeit, offen mit dem Thema umzugehen, ohne den Leuten "auf die Füße zu treten". Jeder, der mag, kann hier lesen, und wer nicht mag, der lässt es eben sein.

Heute ist ein Tag, an dem ich von zwei weiteren Fällen erfuhr - und wie klein die Welt doch ist. Und der Verdacht kommt auf, dass die Zahl der Krebsfälle in den letzten Jahren immer mehr ansteigt, und man sich fragen muss, warum ist das eigentlich so.

Wieder komme ich auf das Buch "Krankheit als Weg" zurück, in dem es heißt, Krebs sei der Spiegel der heutigen Gesellschaft, in der jeder Einzelne ohne Rücksicht auf Verluste seine Interessen durchsetzen will. Ich habe mich gefragt, ob ich mit meiner Lebensgestaltung auch so ein Verhalten an den Tag gelegt habe. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter, wo es um den Stress ging, Beruf, Haushalt und Familie unter einen Hut zu bekommen. Sie sagte, ich könne nicht beides haben, Karriere und Kind. Und ich regte mich darüber auf, warum ich nicht beides haben könne - ich will aber! Warum sollte sich eine Frau nicht gleichzeitig beruflich verwirklichen und eine Familie haben dürfen? Wenn es heutzutage für eine Frau nötig ist, zum Familieneinkommen beizutragen, weil es sonst nicht reicht, bleibt ihr doch nichts anderes übrig! Und wem trete ich dabei auf die Füße? Letztendlich hatte ich immer das Gefühl, beidem nicht gerecht zu werden, weder meiner Familie noch meinem Arbeitgeber. Jeder verlangte soviel Zeit von mir, soviel Stunden hat ein Tag nicht. Also musste ich bei beiden kürzen. Ob ich dabei gerecht war - und was noch viel interessanter ist - ob ich mir selbst dabei gerecht wurde, steht auf einem anderen Blatt.

Das große Ziel ist, im Einklang mit der Umgebung zu leben, scheint es. Habe ich das nicht immer versucht? Habe ich nicht oft genug mir einen Rucksack aufgeladen, für den ich eigentlich nicht zuständig war? Dann hieß es, ich sollte mal den einen oder anderen Rucksack stehen lassen. Weil es eben nicht meiner wäre. Heißt das nicht, etwas egozentrischer zu werden, um sich selbst zu schützen? Seine eigenen Interessen wahrzunehmen, statt die anderer Leute. Aber das ist es doch, was eine Krebszelle macht: Sie nimmt nur ihre eigenen Interessen wahr und kümmert sich keinen Deut mehr um das Ganze.
Soll mir der Krebs jetzt sagen: Ja, ich muss mich mehr um meine eigenen Interessen kümmern, oder will er mir sagen, ich tue das schon zuviel? In welche Richtung sollte ich gehen?

Gerade das Thema "Kinder oder Karriere" ist brandaktuell. Da diskutiert man plötzlich über Rentenkürzungen für Kinderlose, die Deutschen sterben aus, wenn der Trend sich fortsetzt. Jede Familie müsste eigentlich mindestens 2 Kinder in die Welt setzen, doch leider ist die durchschnittliche Kinderzahl viel geringer. Interessant finde ich in dem Zusammenhang den Umstand, dass das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, größer ist für Frauen, die spät oder gar keine Kinder geboren haben. Man könnte das vielleicht als Strafe dafür ansehen, nicht zum Erhalt der Menschheit beigetragen zu haben, aber man muss das ja nicht so sehen. Es mag vielleicht ein Hinweis sein, wo die Reise hingehen soll. Die letzte Mahnung sozusagen. Wenn Ihr keine Kinder bekommt, seid Ihr vom Aussterben bedroht!
in: Brustkrebs
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