Warum ich?
Ich glaube, diese Frage stellt sich jeder mal - besonders jene, die an Krebs erkrankt sind. Komischerweise stelle ich mir diese Frage erst jetzt. Alle haben sie gesagt, dass man sich das irgendwann fragt, und ich dachte bisher immer, es ist halt Zufall, und es hat eben mich erwischt.

Ausgelöst wurde das eigentlich durch einen Brief, den ich bekam. Es geht darin um die Eintragung ins Krebsregister für statistische und wissenschaftliche Zwecke. Es war klar, dass dieser Brief kommt, davon erzählte man mir schon. Wirklich drüber nachgedacht habe ich nicht. Aber ich bin eh kein Mensch, der davor Angst hat, irgendwo nur noch eine Nummer zu sein. Ich halte statistische Untersuchungen für sehr sinnvoll - wenn man dabei das Individuum nicht ganz aus den Augen verliert.

Trotzdem hat es was in mir ausgelöst. Ich bin nämlich ein Individuum, und mich hat es erwischt. Warum? Ich war ja eigentlich keine Risikopatientin, wenn man davon absieht, dass meine Oma so mit 70 Brustkrebs bekam. Damals wurde das gar nicht groß aufgehängt. Es hieß, sie sei eh schon recht alt und nicht mehr so gut beisammen - und sie musste auch keine Chemotherapie machen. Dabei finde ich 70 noch nicht sooo alt, dass man sagen könnte, das lohnt nicht mehr. Das kann man doch nie sagen! Man weiß doch im Grunde nie, was das Leben für einen noch bereithält, egal wie alt man ist. Ob man nun 2 Jahre, 40 Jahre oder 70 Jahre alt ist. Wer weiß, was alles noch kommt? Ich stelle mir das Leben manchmal als Entscheidungsbaum vor. Immer wieder kommt man an Weggabelungen an und muss sich entscheiden. Und man sieht nie, was dahinter kommt. Man weiß nie, wie lang oder wie schwer der Weg dahinter ist. Ob er in einen Abgrund führt oder ins Paradies. Und dann denke ich, das Ziel dahinter ist gar nicht entscheidend, sondern der Weg. Was bringt der Weg für weitere Weggabelungen mit sich? Und dann wird mir klar, dass man das gar nicht bewerten kann und auch gar nicht sollte. Ich finde nicht unbedingt, dass das Ziel ist, ein besonders LANGES Leben zu führen, also dass der Todeszeitpunkt ganz weit in der Zukunft liegt. Das Leben muss auch einen Sinn haben. Es sollte ereignisreich sein insofern, dass es nicht so dahinplänkelt, und nichts passiert. Es kann nun auch mal was Dramatisches passieren. Man kann ernsthaft krank werden. Und man kann sich darüber Gedanken machen, was das alles für einen Sinn hat.

Als ich von meinem Krebs noch nichts wusste, hatte ich mir schon mal Gedanken um den Sinn von Krankheiten gemacht. In dem Buch "Krankheit als Weg" habe ich einen Ansatzpunkt für diese Gedanken gefunden. Ich fand vieles sehr plausibel. Dennoch hatte ich Schwierigkeiten, daraus wirklich Konsequenzen zu ziehen. Man hat mir mal den Rat gegeben, ich solle viel mehr auf meinen Bauch hören. Ich fand eigentlich, dass ich das schon viel zu oft tue. Nun ja, ehrlich gesagt, ist es oft so: Ich merke, wenn mir eine Situation nicht behagt, ich höre meinen Bauch "reden" - und dann ignoriere ich das und sage, er soll gefälligst den Mund halten und Ruhe geben. So kann es aber auf Dauer nicht gutgehen. Das rächt sich irgendwann früher oder später.
Ich weiß nicht genau, was der Autor des Buches "Krankheit als Weg" zu Krebs genau meinte. Ich habe es schlicht nicht verstanden. Aber vielleicht ist genau das der Grund, warum ich Krebs habe! Und wer weiß, vielleicht komme ich ja noch drauf....
in: Brustkrebs
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